Wir erfahren es immer wieder: Seminare mit einem Feuerwerk an Neuem und Interessantem, Fachbücher mit 200 Seiten bestem Lernstoff und Workshops mit neuen Erkenntnissen. Doch wie viel davon wenden wir dann auch dauerhaft an und setzen es um?
Seminarordner verstauben, das meiste gerät in Vergessenheit oder stösst gar auf Ablehnung, weil einem bei der ersten Anwendung – wenn es denn überhaupt so weit kommt – nicht alles auf Anhieb gelingt. Zwar gibt es viele gute und durchdachte Programme zum Praxistransfer von Gelerntem, doch bei diesen wird zu wenig darauf geachtet, am Ball zu bleiben, bis Erlerntes wirklich dauerhaft und mit Erfolg angewandt wird und verankert und verinnerlicht ist.
Den Lerntransfer bis zur Anwendung zu fördern und zu festigen, ist eine sehr wichtige Aufgabe. Dieser Beitrag enthält auch viele wissenschaftlich und psychologischen Feldexperimenten abgesicherte Erkenntnisse und Forschungsresultate.
Lerntransfer in der betrieblichen Weiterbildung
Das Problem, dass es Menschen sehr schwerfällt, neue Verhaltensweisen nur schon zu akzeptieren geschweige denn auch dauerhaft anzuwenden, wird oft zu wenig erkannt. Motivation zur Veränderung, permanentes Anwenden, Wiederholen und die Erkenntnis, dass Weniges nicht nur mehr ist, sondern wesentlich grössere Chancen auf Verhaltensänderungen und Anwendung in der Praxis hat, sind einige Punkte. Mit der Anwendung eines Lerntransfer-Managements mit Regeln und Empfehlungen wie den folgenden legt den Fokus auf eine aktive Verinnerlichung von Erlerntem und unermüdlichem Trainieren und Anwenden. Die Praxismethoden sind:
1. Fokussierung auf Weniges und Wesentliches
Bei der Konzeption von Lernstoffen und –aktivitäten sollten Lernende nicht mit zu vielen neuen Inhalten und ganzen Seminarordnern voll neuer Empfehlungen überhäuft werden. Höchstens ein halbes Dutzend oder je nach Komplexität sogar nur drei bis vier klar umschriebene Lernziele und erwünschte neue Verhaltensweisen genügen – mit Konzentration auf das Praxisrelevante. Kompakte, einfache und überschaubare Lernprogramme motivieren wesentlich stärker zur Lernbereitschaft. Und schon die Lernziele müssen aktivierend und motivierend sein und den Nutzen für Lernende aufzeigen – mehr dazu später in diesem Beitrag.
2. Kompatibilität des Lernstoffes mit Lernenden
Nicht nur die Konzentration auf das Praxisrelevante, sondern auch die Kompatibilität mit den Persönlichkeiten, Charakteren, Lernkompetenzen, Bedürfnissen und Motivationen Lernender sind wichtig. Neue Führungsmethoden müssen zu Charakter und Persönlichkeit passen und deren Akzeptanz miteinbeziehen, was viel zu selten berücksichtigt wird. Nicht jede Verkaufstechnik passt zu jeder Persönlichkeit; es gibt Unterschiede, die genauestens abgeklärt werden sollten.
Dazu gehört auch der Einbezug von Lerninhalten aus der Praxis Lernender heraus, was die Lernmotivation steigert – und die Fokussierung von deren Stärken und Talenten. Hilfreich ist übrigens auch, wenn ein Basis- und Vorwissen vorhanden ist, auf dem neuer Lernstoff aufbaut. Auch die optimale Wahl von präferierten Lernmethoden ist in diesem Zusammenhang wichtig.
3. Überzeugende Kommunikation des Lernnutzens
Wir lernen, wenn wir überzeugt sind, dass Erlerntes auch wirklich Vorteile bringt, Nutzen stiftet und unsere Leistung erhöht. Neue Fähigkeit zu erlernen und neues Wissen zu erwerben ist für Lernende immer eine Investition, von der sie im Voraus wissen möchten, was Sie davon haben werden. Deshalb ist eine klare, bildhafte und konkrete, möglichst individuelle Kommunikation des Lernnutzens so wichtig wie es auch die kompakte und praxisnahe Vermittlung ist. Videotrainings, Workshop-Gruppenarbeiten, Fallbeispiele, Erfahrungsberichte, Vorher-Nachher-Bilder und mehr Möglichkeiten gibt es dazu.
Hinzu kommt das Vermitteln von Visionen, sozusagen das „Warum“ hinter Leistungs- und Lernzielen. Dies können Karriereziele, Diplome, Fachlaufbahnen und Optimierung von Kompetenzen und Talenten sein. Auch das Wissen über den Beitrag zum Ganzen, also den Sinn für das Unternehmen, sollte beachtet werden – es sollten demzufolge auch Ziele sein, die für den Mitarbeiter und das Team bedeutsam und für das Unternehmen wichtig sind.
4. Vermittlung auf mehreren Sinneskanälen
Erlerntes sollte auf mehreren Sinneskanälen aufgenommen und verarbeitet werden. Ein neues Verhalten bei einem Video (visuell), Gehörtes oder Doziertes aus einem Fallbeispiel (auditiv), Verfassen eines persönlichen Erfahrungsberichtes (schreibend verarbeitend), Präsentation von Lernerfahrungen vor Gruppe oder Team (präsentierend), das Lesen eines Buch-Abstracts zum Thema (lesen) und die Erstellung eines Mindmaps (visuell und zusammenfassend) sind konkrete Aktivitäten.
Auch Erlerntes anderen bei guter Beherrschung lehrend aufzubereiten und weiter zu geben, ist aktivierend und setzt eine neue Auseinandersetzung mit Erlerntem voraus. Um so intensiver und öfters verschiedenste Sinneskanäle aktiviert und einbezogen werden, desto grösser sind die Aussichten auf Anwendung von Gelerntem. Auch Blogs zum Erfahrungsaustausch als eine Art „digitales Lerntagebuch“ während des gesamten Lern- und Umsetzungsprozesses sind empfehlenswert.
5. Ein Lernthema und wöchentliche Anwendungen
Zu viel auf einmal mit Neuem überhäuft zu werden, überfordert viele. Man weiss zudem aus der Psychologie, dass neu Erlerntes das zuvor Gelernte übermässig überlagert. Was soll man wann lernen, was ist wie wichtig und dringend? Wenn ein Lernpunkt während einer Woche oder gar während eines Monats mehrere Male intensiv und fokussiert trainiert wird, vervielfacht sich die Chance auf Anwendung und Erfolg immens. Dabei ist auch zu beachten, was mit geringstem Aufwand die beste Verbesserung mit sich bringt, das einen schnellen Lernerfolg ermöglicht und wie es um die Relevanz steht. Die Wiederholung in unterschiedlichen Kontexten und aktiven Anwendungen in verschiedenartigen Aufgaben hat einen grossen Einfluss auf den Lernerfolg.
6. Die Pflicht der Führungskraft zu Erfolgserlebnissen
Gute Führungskräfte halten nach der Vermittlung von Lernstoffen Anwendungen aus der Praxis bereit, erstellen ein konkretes Transferprogramm und ermöglichen damit Erfolgserlebnisse, geben – was sehr wirksam und wichtig ist – während des gesamten Lern- und Anwendungsprozesses positives Feedback mit Anerkennung auf erfolgreich gezeigte neue Verhaltensweisen oder Arbeitstechniken. Training und Anwendung unter Anleitung und anschliessendes Besprechen im Team verstärkt das Anwenden von Erlerntem ebenfalls mit dem Austausch von Erfolgserlebnissen und motivierenden Erfahrungen.
Sogar das Feedback von Kunden kann einbezogen werden, und auch hier ist als Alternative das Reflektieren in Erfahrungsgruppen oft hilfreich. Bei sehr wichtigen Lernzielen – vor allem bei Führungskräften und Experten in Schlüsselpositionen – ist ein Mentoring mit kontinuierlichem Feedback und situativ unterschiedlichen Beobachtungsmöglichkeiten zusätzlich verstärkend.
7. Lernen in Gruppen, neuen Kontexten und Netzwerken
Umso breiter, intensiver und positiver Anwendungen und daraus erfolgende Verhaltensänderungen sind, desto stärker werden sie verankert. Das Lernen im Team, Follow-up in einem Workshop, Anwendung draussen in der Praxis mit Kunden unter Beobachtung, Anwendungen im Familien- und Freundeskreis – also in unterschiedlichem Kontext und in wechselndem Umfeld – diese und viele Anwendungssituationen mehr erhöhen die Erfolgschancen.
Der soziale Austausch von Lernstoffen und vor allem Erfahrungen, Erfolgserlebnissen und Verbesserungen verstärkt die Nachhaltigkeit.
Einer der schnellsten und sichersten Wege, etwas Neues zu lernen und es zu üben, besteht darin, dieses Wissen oder die neue Fähigkeit anderen Menschen beizubringen. Mini-Seminare und -Workshops, Coachings und Präsentationen in Teams fördern zudem einen fokussierten und praxisnahen Lernprozess.
Das heisst: Die Vielfalt von Anwendungsformen und -kontexten ist trägt wesentlich zum Lernerfolg bei, da sich damit die Intensität der Auseinandersetzung mit dem Lernstoff markant erhöht. Learning on demand, spezielle Projekte mit Zielbezug zu den Lerninhalten, also die konsequente Anwendung des Gelernten ermöglichende Aufgabenstellungen, Job-Enrichment oder Job-Rotations und Teilnahme an Lern-Netzwerken sind möglich. Die Psychologie hat erforscht, dass aktives Lernen wesentlich effektiver ist als die passive Aufnahme von Lernstoff.
8. Feedbacks auf Lernfortschritte und Verhaltensänderungen
Selbst Monate später sollten noch Erfolgs-und Fortschritts-Feedbacks von Führungskräften immer wieder zur Anwendung, Verbesserung und Weiterentwicklung von Erlerntem ermutigen und motivieren. So wird sichergestellt, dass Lernende nicht in Altvertrautes zurückfallen, sondern neue Verhaltensweisen eines Tages völlig verinnerlichen und alte ersetzen.
Dabei wird auch ein selbst gesteuerter Lernprozess in Gang gesetzt. Positives Feedback und Anerkennung von Fortschritten sollten in mehreren Phasen, beispielsweise auch bei Erreichen von Zwischenzielen erfolgen. Das Zerlegen von Zielen in kleine, überschaubare Zwischenetappen erhöht Erfolgserlebnisse und motiviert somit wiederum zur kontinuierlichen Anwendung von Gelerntem. Auch das Suchen nach Mentoren, die im Lernbereich Experten sind und die Bitte an diese für Feedbacks und Optimierungen ist ein guter Weg.
Auch einige Monate später sollten Lernpunkte bzw. Lernziele und wirksame Verhaltensänderungen in Zielvereinbarungen oder Jahresgesprächen wieder aufgenommen und thematisiert werden. Auch hier ist wiederum wichtig: Anerkennendes und positives Feedback auf erfolgreiches Anwenden von Erlerntem ist eine „Belohnung“, das den Sinn und Erfolg des Lernens sozusagen beweist und zugleich das Selbstvertrauen und die Gewissheit über die eigene Lernfähigkeit stärkt.
9. Persönlichen und motivierenden Bezug
Erlerntes sollte wenn immer möglich auch in einen unmittelbaren persönlichen Bezug gebracht werden – das Involvement ist entscheidend, und zwar vor und nach der Lernaktivität. Wenn ein Lernstoff einen Bezug zur eigenen aktuellen Erlebnis-, Interessen- und Erfahrungswelt hat (aktuelles Projekt oder Interessengebiet), die wichtigen Grundwerte anspricht (Erfolg, Zugehörigkeit, Karriere, Komfort, Sicherheit), dort mit Erfolg und einem positiven Feedback verbunden (Lob des Vorgesetzten, Anerkennung aus Team) angewandt werden kann, löst dies positive Emotionen aus, was zur wiederholten Anwendung motiviert. Die Wirksamkeit dieses welchselseitigen Prozesses wurde auch in psychologischen Forschungen bestätigt.
Der Lernerfolg, d.h. ein dauerhaftes Anwenden des Erlernten ist so besonders gross und nachhaltig, weil zahlreiche Verstärker zum Einsatz kommen und dabei nicht nur die Wiederholung, sondern auch die damit verbundene permanente Verbesserung und Fortschritte durch die wiederholte Anwendung den Lernerfolg zusätzlich weiter begünstigen. Man spricht in der Psychologie in diesem Zusammenhang auch vom Gesetz der Wirkung, welches besagt, dass Menschen beim Lernen Verknüpfungen zwischen ihrem Verhalten und den Folgen daraus erstellen und demnach bei positiven Lernerfolgen Erlerntes viel eher und nachhaltiger in Erinnerung bleibt und auch tatsächlich umgesetzt wird.
10. Ziel: Selbstgesteuertes und -verantwortliches Lernen
Lernmotivation und der Praxistransfer entsteht und wächst letztlich in einem eigendynamischen Prozess heran: Wer Talente fördern kann und Lernerfolge erlebt, erkennt und erfährt, dass er gut und fähig ist. Wer dies weiss und erlebt, kommt zu einem ausgeprägten Leistungsbewusstsein und wendet Gelerntes in der Praxis auch mit Ambitionen an und motiviert sich durch Erfolgserlebnisse dann von neuem. Wer mit solcher Motivation lernt und sich dadurch permanent verbessert, praktiziert dann beinahe automatisch auch selbstverantwortliches und selbst gesteuertes Lernen als einen dauerhaften und lebenslangen Prozess – die Anforderung an das Lernen der Zukunft.
Zusammenfassung: Das Wesentliche auf einen Blick
Für nachhaltiges und das Verhalten erfolgreich und positiv ändernde Lernen sind die folgenden Punkte wesentlich:
– Nur wenig dafür aber das Wesentliche vermitteln
– Kompakte, einfache und überschaubare Lernprogramme
– Ausrichtung auf individuelle Persönlichkeit und Lernbedürfnisse
– Lernenden den individuellen Nutzen motivierend aufzeigen
– Lernstoffe auf verschiedenen Sinneskanälen vermitteln
– Erlerntes in verschiedenen Situationen und Aufgaben anwenden
– Erfolgserlebnisse schaffen und positives Feedback geben
– Wiederholung in unterschiedlichen Kontexten und Aufgaben
– Bei Wiederholungen nur ein oder zwei Lernziele fokussieren
– Erfahrungsaustausch und Lernfeedback in Gruppen ermöglichen
– Lerninhalte involvierend in persönlichen Bezug bringen
– Selbstgesteuertes und -verantwortliches Lernen als Fernziel
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