Aus der Praxis der Personalentwicklung, der empirischen Lernpsychologie, der Neurologie und aus vielen Studien kennt man inzwischen die für ein erfolgreiches und effizientes Lernen relevanten und wirklich hilfreichen Regeln recht gut.
Dieser Beitrag erschien auf hrpraxis.ch bereits letztes Jahr. Er wurde nun erneut geprüft und auf den aktuellen Stand gebracht und mit neuen Erkenntnissen erweitert.
Ganz gleich, ob Sie eine Fremdsprache lernen, in der Personalentwicklung das Lernen für Ihre Mitarbeitenden effizienter und erfolgreicher machen möchten, selber eine HR-Aus- und Weiterbildung beginnen oder sich einfach nur der Bedeutung des lebenslangen und selbstverantwortlichen Lernens privat oder beruflich bewusst sind – die nachfolgenden praktischen Regeln und Empfehlungen sind mit Sicherheit hilfreich.
Sie basieren auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, Erfahrungen von Ausbildern, Untersuchungen, Tests und Analysen und aus neuesten Forschungsresultaten. Sie müssen nicht alle beherrschen, einige davon konsequent einhalten bewirkt bereits viel. Wählen Sie jene aus, die am besten zu Ihrem individuellen Lernverhalten passen und mit denen Sie schon in der Vergangenheit erfolgreich waren.
Untenstehend fasst eine Infografik diese Regeln visuell zusammen.
1. Wiederholen – wiederholen – wiederholen
Die wichtigste Regel überhaupt. Das weiss die Werbung schon lange. Sie ist einfach, erfordert aber Disziplin. Systematisch Wiederholtes wird vom Gehirn besser behalten, weil es seiner Funktionsweise entspricht. Von grösster Bedeutung ist dabei immer auch die Motivation, um die Wiederholung aufrecht zu halten: Wie sehr identifiziert man sich mit dem Lernthema, wie ambitiös ist man im Erreichen des Lernziels, wie wichtig ist einem das Erreichte und wie stark spornt dieses zu Erreichende an – das hilft bei der Disziplin der Wiederholung.
Möglichst in wechselnden Intervallen, regelmässigen Wiederholungen und veränderten Lernstoff-Aufbereitungen gelingt erfolgreiches und effizientes Lernen auf diese Weise noch besser. Gut ist hier auch der Einsatz von digitalen Aufgaben- oder Termin-Remindern.
2. Lernumgebung wechseln
Emotionen und Wohlbefinden haben Einfluss auf den Lernerfolg. Lernen in guter Stimmung, mit angenehmem Licht, einladenden Farben und stimmungsvollen Räumen verstärkt den Einfluss auf den Lernerfolg, weil dies auch Entspannung und Konzentration fördert. Musik ist hingegen laut neuesten Forschungen weniger lernfördernd als vielfach angenommen. In Unternehmen fördert das Blended Learning, also die Kombination zwischen digitalen und traditionellen Lernformen fördert erfolgreiches und effizientes Lernen ebenso.
3. Bilder und Mindmaps
Unser Gehirn, bzw. Unterbewusstsein mag und bevorzugt Bilder. Gelerntes also möglichst visualisieren, mit Bildern assoziieren und Mindmaps erstellen, welche zugleich hervorragende Zusammenfassungen des Wesentlichen sind und Strukturen schaffen. Dafür gibt es hilfreiche Software, wie diese Mindmapping-Tools. Auch Bildrecherchen bei Google oder die Suche nach PowerPoint-Präsentationen (bei Google unter den Einstellungen als Dateityp einrichtbar) zu Lernthemen sind ein Weg. Ein hervorragendes Visualisierungs-Tools ist Prezi.
4. Arten der Wissensaufnahme
Wissen permanent auf die gleiche Weise eintrichtern, ist ineffizient. Verschiedene Methoden wie Lesen, Hören, Lernsoftware, Diskussionen, Videoreportagen, praktisches Handling, Anwendung, sind ergiebiger und aktivieren die Gehirnzellen stärker. Besonders YouTube bietet sich hier mit vielen Aufbereitungsarten (Reportagen, Vorträge, Demonstrationen, Storys, Schaubilder usw.) an. Schnell-Lesetechniken wie Rapid-Reading sind ebenfalls empfehlenswert.
5. Das Wundermittel Flow
Flow bedingt höchste Konzentration und Fähigkeit zur Hingabe. Damit geraten Lernende in einen meditationsähnlichen Flow, der einen freien Gedankenfluss und damit höchste Aufnahmekapazitäten erzeugt. Mit positiven Emotionen aus eigenem Erleben verbundenes Lernen gelingt dann auf diese Weise besonders gut und nachhaltig und dringt in die tiefen Sphären des Unterbewusstseins.
6. Beispiele statt Theorien
Theorie ist auch für das Gehirn grau und langweilig. Fallbeispiele, Geschichten, Bezüge – besonders wirksam: Bilder zu persönlich Erlebtem, vor allem emotionaler Natur – machen die Wissensaufnahme und -verarbeitung einfacher und nachhaltiger. Dies können auch assoziative und fiktive Beispiele oder YouTube-Kurzfilme sein, über die man anschliessend im Team oder Familienkreis spricht.
7. Verschiedene Sinnesorgane einsetzen
Gelerntes mit einem Audiobook oder Podcast hören, in Mediatheken oder auf YouTube nach einer Dokumentation suchen, Spracheingaben von Kerninhalten in das Smartphone oder die Teilnahme an einem Webinar – Möglichkeiten gibt es viele. Wer verschiedene Sinnesorgane einsetzt, verstärkt die Aufnahmebereitschaft des Gehirns. Ob es den visuellen oder auditiven Lerntyp wirklich gibt, ist man sich übrigens nicht mehr so sicher wie auch schon.
8. Weg von PC, Handy und Büchern
Ablenkung mit einem Spaziergang in der Natur oder Musikhören zwischendurch entspannt und steigert die Aufnahmefähigkeit des Gehirns. Dabei sollte es sich um möglichst gewohnheitsmässige, routiniert ablaufende Aktivitäten handeln, damit Raum für Lernreflexionen und Stoffverarbeitung bleibt. Optimal sind Pausen nach ein oder zwei Stunden von 15 bis 30 Minuten. Hier wirkt auch der sogenannte Recency-Effekt, nach dem jeweils bei einem Lernunterbruch die letzten Lerninhalte im Gedächtnis gespeichert werden.
9. Praxisnähe und Praxisbezug
Was persönlichen Bezug zu eigenen Erfahrungen hat und mit diesen, wenn möglich visuell, assoziiert wird, wird gut aufgenommen und verarbeitet. Eingebettet in Kenntnisse, Erlebnisse, Vorlieben, Aufgaben und Talente hat, wird Lernstoff eher aufgenommen als trockene, theoretische Details. Die Verbindung und Assoziation des Lernstoffes mit eigenen Erfahrungen und persönlichen Lebens- und Arbeitssituationen, (im Idealfall emotionaler Art) verbessert das Lernen zusätzlich, denn das Verknüpfen neuer Informationen mit bereits vorhandenen beschleunigt den Lernprozess.
Ideal ist die sofortige Anwendung in der Praxis, wenn es um neue Arbeitshilfsmittel oder Verhaltensweisen geht. Die Methode des „Learning by doing“ – auch wieder mit Wiederholungen – ist ebenfalls sehr wirksam und vor allem in der Personalentwicklung sehr zu empfehlen, da es oft mit Erfolgserlebnissen verbunden sein kann, was wiederum zur Motivation und Aufrechterhaltung der Lerndisziplin beiträgt.
10. Aktivieren des Lernstoffes
Was aktiv verarbeitet wird, wird vom Gehirn besser verstanden und behalten, denn Gehirn-Synapsen verbinden sich dann neu. Lernstoff sollte umgesetzt, angewendet, diskutiert, erprobt und in der Praxis mit Beobachtungen und Erfahrungen vertieft, ausgetauscht und verinnerlicht werden. Beispiel: Bei einer Marketingausbildung sich draussen bei einem Plakat fragen, welches Marketingziel damit wohl angestrebt wird. Diese Regel gilt ganz besonders zusammen mit der Wiederholung auch für neue, veränderte Verhaltensweisen.
11. Eigenständiges Erarbeiten des Erlernten
Auch Active Recalling genannt und wissenschaftlich erwiesen ist das aktive Er- und Verarbeiten der Lerninhalte. Kurzvorträge mit eigenen Worten halten, Zusammenfassungen in einem neuen Kontext schreiben oder Notizen via Sprachmemo auf Handy. Eigenständig erarbeiteter und veränderter Lernstoff wirkt stärker, da man sich aktiv damit auseinandersetzt. Wichtig ist dabei immer: Keep it simple, Lernstoff auf das Wesentliche reduzieren und vereinfachen. Die anschliessenden Schritte der a) Fokussierung, b) Reduktion und dann c) des Intensivierens verhelfen zu noch mehr Lerneffizienz. Auch Recherchen nach Bildmaterial, Visualisierungen oder Zusammenfassungen fördern erfolgreiches und effizientes Lernen.
12. Relevanz bestimmen
Beurteilen lernen, was vom zu Lernenden für den Job oder das Privatleben relevant und was unwichtig ist. Dies können Zusammenfassungen und Stichwort-Notizen, Audio-Aufnahmen mit dem Smartphone und auch der Erfahrungsaustausch im Team oder in der Familie sein. Auch Praxis-Feedback von Personen, die bereits Erfahrung in der Anwendung und im Umgang von Erlerntem haben, sind dabei hilfreich. Lernprozesse sollten zudem aktiv und bewusst erlebt, gestaltet und reflektiert werden. Das Reflektieren ist eine besonders wirksame Form der Wiederholung und mentalen Auseinandersetzung mit dem Lernstoff.
13. Omnipräsenz des Lernstoffes
Möglichst oft präsenten Lernstoff in diversen Darstellungsformen einrichten und sichtbar machen. Post-its an der Kühlschranktür oder auf der Mausmatte, Lern-Stichwörter in der digitalen Agenda oder im Notizbuch, Zusammenfassungen oder Mindmaps auf dem Smartphone sind einige Beispiele. Auf dem Homescreen von Handys oder mit digitalen Post-its auf dem Desktop-PC sind Lerninhalte für erfolgreiches und effizientes Lernen besonders präsent.
14. Lernen zur Gewohnheit machen
Unser Gehirn liebt Routine und Gewohnheiten, es versucht, unnötigen kognitiven Aufwand zu vermeiden. Machen Sie es sich zur Gewohnheit zu lernen, Neues anzuwenden, zu wiederholen und Erlerntes zu vertiefen. Lernen zur Routine machen, geht einher mit selbstverantwortlichem und lebenslangem Lernen. Das Lernen sollte, wenn immer möglich, in den Alltag integriert werden. Empfehlenswert können auch bestimmte Lerntage und Lernzeiten sein.
15. Erlerntes im Gespräch verwenden
Mit Kollegen und vor allem auch im Team über das Lernthema reden, Meinungen einholen, Fragen stellen, Lebenspartner oder Familienmitglieder um ein Abfragen des Stoffes bitten, sich zum Thema interviewen lassen – was in den aktiven Dialog und ins Gespräch gelangt, bleibt besser haften und dringt tiefer in das Gedächtnis ein, da sich das Gehirn aktiv und auf immer andere Weise im Dialog mit der Lernthematik auseinandersetzen muss.
16. Lernen-Schlafen-Lernen
Genügend Schlaf ist für den Lernerfolg bedeutungsvoll, auch der Wechsel von Lernen-Schlafen-Lernen ist hilfreich. Im Schlaf wird Erlerntes in das Langzeitgedächtnis transferiert und konsolidiert sich dort. Damit werden auch die kognitiven Fähigkeiten wie die Wahrnehmung und das Erkennen gefördert. Neue Studien zeigen, dass schon mit einer Stunde Schlaf ähnliche Lernerfolge erzielt werden können wie mit einem Nachtschlaf. Intensives Lernen nach autogenem Training oder anderen Entspannungsübungen ist besonders effektiv.
17. Ordnung schaffen mit Strukturen
Unser Gehirn liebt Ordnung und Strukturen. Deshalb ist das Strukturieren und Ordnen von Lernstoff in Themenblöcke oder Lektionen oder der Einsatz von Lernkarten – auch online möglich -, sehr hilfreich. Auch die Strukturierung der Aufnahme und Wissensverarbeitung gehört dazu. Bei einer PowerPoint-Präsentation lernt man gleich doppelt: Beim Erstellen und Strukturieren der Folien und beim Referat im Team.
18. Spielerisch und sich bewegend lernen
Spielerisches Lernen mit Spass, vor allem im Team, entkrampft, erhöht die Aufnahmebereitschaft und ist je nach Stoff, Lerntyp und Lernziel eine empfehlenswerte Methode, die auch zur Lernmotivation beiträgt. Sogar Sketches zu Lernthemen sind möglich. Ein Beispiel für spielerisches Lernen im Unternehmen bieten Simulatoren. Und ein besonderer Tipp: Jonglieren ist eine Bewegungsart, bei der sich besonders viele neue Lernzellen und Lernnerven bilden und neu verdrahtet werden.
19. Lernziele und Teilziele
Lernziele und Teilzeile mit kleinen Lerneinheiten sind wichtig, weil sei comitten, bzw. verpflichten und das Erreichen von Lernzielen motivieren hilft. Hier spielt vor allem das E-Learning seine Stärken aus, da Lernende mit Fortschritts-Anzeigen und Zielerreichungen stets auf dem Laufenden sind und diese mit positivem Lern-Feedback zum Weiterlernen anhalten. Stichwort Motivation: Belohnen Sie sich bei Lernerfolgen oder erreichten Zielen mit kleinen Dingen. Das Schaffen von Erfolgserlebnissen, ist da besonders motivierend, da auch emotional und zur Bestätigung erreichter Ziele daher für erfolgreiches und effizientes Lernen besonders wichtig.
20. Digitale Medien nutzen für erfolgreiches und effizientes Lernen
Das E-Learning, auch online und in der Cloud, beinhaltet viele dieser Regeln, zum Beispiel mit Lernfortschritts-Angaben, Wiederholungs-Funktionen, wichtigem Lern-Feedback, verschiedenen Lernformen mit visuellen oder animierten Zugaben und mehr. Auch das noch wenig bekannte Social Learning in sozialen Netzwerken oder das Bilden von Lerngruppen, beispielsweise bei Facebook, kann einen Versuch wert sein. Hier lassen sich auch die Lernperspektiven erweitern und der Erfahrungsaustausch intensivieren.
Das sehr empfehlenswerte und kostenlose Online-Lernkarten-System Quizlet ist ein Beispiel. Zu Lern-Kernthemen bietet sich auch Google Alerts an, wo man via Stichworteingabe Alerts zu neuen Websites zum Lernthema erhält. Auch Buchzusammenfassungen wie Getabstract (hier kann man sich Texte, beispielsweise auf Smartphones, auch anhören) sind nützlich und erweitern den Lernstoff.
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