Homeoffice in der Krise? Der Trend zum Homeoffice scheint zu kippen. Immer mehr Unternehmen reduzieren die Möglichkeit zur Heimarbeit oder schaffen sie ganz ab. Was zunächst bei US-Firmen begann, setzt sich nun auch in der Schweiz fort.
Trotz unbestreitbarer Vorteile des Homeoffice gibt es eben schon einige gewichtige Gründe für diese Entwicklung. Diese Entwicklung wirft Fragen auf: Wie nachhaltig ist das Homeoffice-Modell wirklich? Welche langfristigen Auswirkungen hat es auf Unternehmen und Mitarbeiter? Und wie können Firmen die richtige Balance zwischen Flexibilität und Produktivität finden?
Sinkende Produktivität im Homeoffice
Neue Studien zeigen im Homeoffice einen Produktivitätsrückgang von 10-15%. Dies hängt allerdings auch von Tätigkeiten, Organisation und Berufen ab. Laut Ifo-Institut berichten 30% der Unternehmen von geringerer Produktivität ihrer Mitarbeiter im Homeoffice, was allerdings unterschiedlichste Gründe haben kann. Es ist auch zu beachten, dass die Produktivität im Homeoffice stark von individuellen Faktoren, der Arbeitsumgebung und Berufen und Organisation der Remotearbeit abhängt. Einige Unternehmen berichten aber auch von Produktivitätssteigerungen, was zeigt, dass pauschale Aussagen schwierig sind.
Mangelnder sozialer Austausch und Kreativitätsverlust
Der fehlende persönliche Kontakt führt oft zu Einsamkeitsgefühlen und beeinträchtigt die Teamarbeit. Studien belegen, dass virtuelle Teams oft weniger kreative Ideen entwickeln, weil der Austausch und die Inspiration im und mit dem Team fehlen. Aufhorchen lässt, dass nahezu die Hälfte von dazu Befragten sich im Homeoffice isoliert oder gar einsam fühlen, was die Innovationskraft schwächen kann. Dies kann die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter auf Dauer stark beeinträchtigen und auch die Unternehmenskultur nachhaltig schädigen. Dennoch gibt es innovative Ansätze, um den informellen Austausch und die spontane Ideenfindung in einer virtuellen Umgebung zu fördern, wie virtuelle Kaffeepausen oder digitale Brainstorming-Tools.
Erschwerte Kommunikation und Zusammenarbeit
Digitale Abstimmungen sind oft ineffizienter als der direkte Austausch. Es gibt Hinweise, dass die Kommunikation in virtuellen Teams um einiges ineffizienter ist. Mitarbeiter berichten in einigen Fällen von erschwerter Teamarbeit im Homeoffice. Diese Kommunikationshürden können zu Missverständnissen, Verzögerungen und Fehlern führen, die in einem Büro- und Teamumfeld leichter zu vermeiden wären. Dies ist oft auch mit noch so modernen digitalen Kommunikationsinstrumenten nur schwer zu beheben – nachhaltige Kommunikation lebt nun einmal vom direkten Austausch und der wichtigen Teamdynamik.
Verwischung der Work-Life-Balance
Im Homeoffice verschwimmen die Grenzen zwischen Beruf und Privatleben. Vielfach machen Homeoffice-Mitarbeiter fast doppelt so viele Überstunden und haben Schwierigkeiten, Arbeit und Privatleben zu trennen. Dies kann die Vorteile der Work-Life-Balance ins Gegenteil kehren. Die ständige Verfügbarkeit kann langfristig auch die Gesundheit und Zufriedenheit der Mitarbeiter beeinträchtigen und zu familiären Konflikten führen. Andererseits berichten Mitarbeiter auch von einer verbesserten Work-Life-Balance durch wegfallende Pendelzeiten und flexiblere Arbeitszeiten. Die Herausforderung liegt darin, klare Grenzen zu ziehen und eine Kultur der Selbstfürsorge zu etablieren.
Potenzielle Karrierenachteile durch geringere Sichtbarkeit
Homeoffice-Mitarbeiter werden bei Beförderungen oft übersehen. Eine Stanford-Studie zeigt, dass sie trotz höherer Produktivität 50% seltener befördert werden. Viele Arbeitnehmer befürchten auch negative Auswirkungen auf ihre Karrierechancen und die aktive Mitwirkung und Einflussnahme bei Entscheiden. Diese Benachteiligung kann zu Frustration und Demotivation führen und langfristig auch die Talententwicklung im Unternehmen behindern. Solche Gefahren können schwerwiegende Folgen haben und auf Dauer auch dem Image des Homeoffice massiv schaden.
Gefahr der Entfremdung
Durch die reduzierte persönliche Interaktion besteht die Gefahr einer zunehmenden Entfremdung zwischen Mitarbeitern und dem Unternehmen. Ingrid Feinstein von Ipsos warnt: „Wenn die Kultur eines Unternehmens dieses nicht auffangen kann, droht eine zunehmende Entfremdung und mögliche Verstärkung von Silos oder sogar Verhärtung von Fronten innerhalb der Belegschaft. Bei einer solchen Entwicklung würden noch so gut entwickelte Unternehmenskulturen erheblichen Schaden nehmen. Die Vermittlung und Aufrechterhaltung von Unternehmenswerten wird im virtuellen Raum nun einmal schwieriger. In einem Büro erleben Mitarbeiter die Unternehmenskultur auf natürliche Weise und teilen, was im Homeoffice nur sehr eingeschränkt möglich ist.
Das Homeoffice ganz zu streichen, wäre falsch
Trotz der genannten Probleme und nicht von der Hand zu weisenden Nachteilen kann das Homeoffice sowohl für Mitarbeitende als auch für Unternehmen in bestimmten Situationen gewichtige Vorteile haben:
- Eltern kleiner Kinder oder Personen mit pflegebedürftigen Angehörigen können durch flexiblere Arbeitszeiten Beruf und Familie besser vereinbaren – was ein wichtiger Beitag zur Work-Life-Balance ist.
- Unternehmen können durch Homeoffice-Angebote ihre Attraktivität als Arbeitgeber steigern und so qualifizierte Fachkräfte gewinnen und halten.
- Mitarbeitende mit chronischen Erkrankungen oder Behinderungen können durch Homeoffice leichter in den Arbeitsprozess integriert werden.
- Für projektbasierte Arbeiten oder kreative Tätigkeiten kann die ruhige Umgebung zu Hause zu besseren Ergebnissen führen.
Fazit: Homeoffice-Entscheide und -lösungen sorgfältig abwägen
Die Entscheidung für oder gegen Homeoffice sollte sorgfältig abgewogen werden, da sie weitreichende Auswirkungen auf Mitarbeiter und Unternehmen hat. Dabei müssen sowohl die Art der Tätigkeit als auch die individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten der Mitarbeiter berücksichtigt werden. Entscheidend ist auch, ob die Unternehmenskultur und Führungskräfte offen für flexibles Arbeiten sind. Ein Kompromiss in Form eines hybriden Modells, das Büroarbeit und Homeoffice kombiniert, kann oft die beste Lösung sein. Letztlich sollte die Entscheidung im Dialog zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer getroffen werden, um die Vorteile des Homeoffice zu nutzen und gleichzeitig mögliche Nachteile zu minimieren.
Ein Mitarbeiter bringt es in mehrfacher Hinsicht auf den Punkt: „In meinem Unternehmen gilt seit Jahren freie Wahl zwischen Büro und Homeoffice. Gewisse Angestellte können mit der Freiheit umgehen, bei anderen kommt während eines Homeoffice-Tages kaum eine Rückmeldung. Es ist ein Geben und Nehmen, aber nicht nur seitens der Arbeitgeber“.
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