Arbeitszeugnisse Mitarbeiterführung

Häufige Fragen und Antworten zu Arbeitszeugnissen

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Vor einiger Zeit hatte unser Autor des “Arbeitshandbuches für die Zeugniserstellung” ein Interview, in dem er häufige Fragen zu Arbeitszeugnissen beantwortete. Da diese nach wie vor aktuell und von Interesse sind, publizieren wir dieses hier gerne noch einmal.

Woher rührt Ihr Interesse für eine so trockene Materie wie Arbeitszeugnisse?

Das geht auf meine Erfahrungen als Arbeitnehmer zurück. Wie viele andere hielt ich ein Schriftstück in den Händen, von dem ich nicht sagen konnte, was es wert ist, ob es mir ein gutes Zeugnis ausstellt. Ich wusste bloss, dass es eine grosse Bedeutung hat.

Ist das tatsächlich so? Haben Arbeitszeugnisse im Rahmen eines Bewerbungsprozesses einen hohen Stellenwert?

Ja, sie gehören mit dem Lebenslauf, den Qualifikationen und dem persönlichen Interview zu den wichtigsten Entscheidungsgrundlagen bei Auswahlverfahren. Dazu kommen Referenzen, die Zeugnisaussagen ergänzen und präzisieren. Sie dürfen übrigens den Zeugnisaussagen nicht widersprechen.

Wann tun Angestellte gut daran, ein Zeugnis zu verlangen?

Sicher beim Verlassen der Firma, sinnvollerweise aber auch, wenn jemand eine neue Funktion übernimmt oder wenn ein Vorgesetzter wechselt. Auch bei sich stark ändernden Tätigkeiten, bei Versetzungen oder bei sich tiefgreifend verändernden Zielsetzungen bei Zielvereinbarungen als Resultat einer Neuorientierung sollte ein Zeugnis angefordert werden.

Können Mitarbeiter  jederzeit ein Zeugnis verlangen?

Ja, er hat von Gesetzes wegen ein Anrecht darauf – und zwar ohne Grundangabe und auch noch fünf Jahre nach dem Austritt aus der Firma.

Viele Chefs sind überlastet und würden das Zeugnisschreiben am liebsten an den Mitarbeiter delegieren. Ist das ein sinnvolles Vorgehen?

Nein, dadurch wird ein Zeugnis zu subjektiv und einseitig, was die Glaubwürdigkeit beim Lesenden stark beeinträchtigt. Aber eine Zusammenarbeit und ein Aufeinanderabstimmen der Aussagen und Beurteilungen ist sehr sinnvoll und fair. Ich rate Vorgesetzten, dem Mitarbeiter einen Entwurf vorzulegen oder ihn vor der Zeugniserstellung um Stichworte zu bitten. In grösseren Firmen entsteht das Zeugnis oft in Zusammenarbeit zwischen Personalabteilung, Linienvorgesetzten und Mitarbeitern. So können auch Konflikte und Missverständnisse vermieden werden.

Welches sind die häufigsten Streitpunkte im Zusammenhang mit Arbeitszeugnissen?

Oft bestehen Meinungsunterschiede bei der Frage, welches die relevanten Tätigkeiten waren. Jeder Mitarbeiter hat ein Recht, dass seine wichtigen Tätigkeitsfelder aufgeführt sind und seine Leistungen gewürdigt werden – und zwar möglichst konkret. Vorgesetzte begehen manchmal auch den Fehler, dass sie  keine Angaben machen über das Verhalten des Mitarbeiters und den Grund seines Weggangs. Aber auch die Bewertung von Leistungen oder die Schilderung des Werdegangs und herausragender Erfolge und Gewichtung von Qualifikationen sind natürlich oft Streitpunkte.

Vieles provoziert auch Fehlinterpretationen. Viele Personalverantwortliche vermuten bei Nichterwähnung des Verhaltens, dass es dann wohl schlecht war und der Mitarbeiter die Firma deshalb verlassen musste. Darum ist es wichtig, dass die Zeugnisse ein abgerundetes Bild zeichnen, sämtliche Bewertungsbereiche enthalten und einen hohen Konkretisierungsgrad aufweisen, der Fehlinterpretationen auf ein Minimum reduziert. Wichtige Aussagen sollte man ohnehin in Referenzen abklären und präzisieren lassen, Zeugnisse untereinander vergleichen und Unklares im Interview zur Sprache bringen.

In der Praxis sind die Formulierungen oft sehr abgegriffen. Weshalb?

Ich sehe zwei Hauptgründe: Einerseits sind manche Vorgesetzte überfordert und orientieren sich aus Verlegenheit an den gängigen Floskeln. Das führt zu Missverständnissen und Fehlinterpretationen. Andererseits scheuen sich viele Chefs, die Dinge beim Namen zu nennen, und verstecken sich hinter schwammigen Formulierungen und Codierungen. Wenn der Text bloss eine Anhäufung abgegriffener Adjektive ist, kann das für den solcherart Beschriebenen nachteilig oder gar gefährlich sein.

Ein Beispiel: Der Begriff «kontaktfreudig» kann positiv gemeint sein, er gilt aber in codierten Zeugnissen als Synonym für «schwatzhaft». Wenn es von jemandem heisst, im Umgang mit Kunden, Vorgesetzten und Mitarbeitern sei er «stets freundlich und korrekt» gewesen, deutet das auf einen eher schwierigen und unangenehmen Mitarbeiter hin. Hiesse es statt «korrekt» «zuvorkommend», gälte das Verhalten als ausgezeichnet.

Sind codierte Zeugnisse nicht am Verschwinden?

Nein, leider nicht, oder jedenfalls nicht in dem Mass, wie es wünschenswert wäre. Moderne Arbeitgeber und professionelle Personalfachleute schreiben zwar vermehrt uncodierte Zeugnisse, aber es geht nur sehr langsam voran. Es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis es keine uncodierten Zeugnisse mehr gibt. Aber auch uncodierte Zeugnisse werden nie ganz unproblematisch sein, denn Sprache – die Wahl der Begriffe, die Formulierung, der Kontext, was man thematisiert und was nicht, Zwischentöne und so fort – ist in vielen Facetten  immer in irgend einer Weise codiert.

Der vorhin erwähnte Begriff «korrekt» zum Beispiel wird mit sehr Unterschiedlichem assoziiert. Einmal kann er unterschwellig suggerieren, dass eine Leistung oder ein Verhalten ungenügend ist, ein andermal aber, auch, dass diese tatsächlich in Ordnung ist. Hinzu kommt das Problem, dass nicht alle Zeugnisverfasser die Zeugnissprache kennen und richtig anwenden oder wegen sprachlicher Probleme falsche Interpretationen geradezu herausfordern. Ist ein Zeugnis fehlerhaft oder sehr unstrukturiert, ist dies ohnehin ein Warnsignal bezüglich Glaubwürdigkeit.

Das Verständnis wird auch dadurch erschwert, dass selbst schlechte Zeugnisse auf den ersten Blick positiv klingen. Ist diese Tendenz zur Beschönigung sinnvoll?

Nein, überhaupt nicht, aber es ist ein heikler Punkt. Die gesetzlichen Bestimmungen sagen, dass ein Zeugnis den Mitarbeiter in seinem beruflichen Weiterkommen nicht behindern darf. Manche Schreiber leiten daraus die Verpflichtung ab, in jedem Fall alles mehr oder weniger alles positiv zu formulieren.

Andererseits ist im Obligationenrecht festgehalten, dass ein Zeugnis wahrheitsgemäss sein muss, woraus folgt, dass auch Negativaussagen in den Text gehören, sofern die negativen Eigenschaften oder die Fehlleistungen relevant sind. Mit der Flucht in codierte Formulierungen entkommt man dem Dilemma nicht. Sinnvoller ist es, Negativaussagen in den Gesamtzusammenhang einzuordnen und in objektiver Weise zu relativieren. Doch in der Praxis hat man auch damit oft Probleme, insbesondere bei Arbeitsämtern. Und Arbeitsgerichte entscheiden tendenzielle eher im Interesse des Arbeitnehmers.

Ist der Arbeitgeber verpflichtet, beispielsweise gravierende Leistungsmängel, Alkoholprobleme oder Unzuverlässigkeit eines Mitarbeiters im Zeugnis aufzuführen?

Ja, wenn ein Arbeitgeber im Zeugnis wesentliche negative Merkmale oder Vorkommnisse verschweigt, haftet er gegenüber dem neuen Arbeitgeber für Schaden, der aus dieser Anstellung resultiert. Mit der Art und Weise der Formulierung ist aber äusserste Vorsicht geboten.

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