Bewerbergespräche führen sind ein zentrales Instrument der Personalauswahl. Gespräche zielorientiert zu führen, die Anforderungen einer Stelle zu verstehen und relevante Informationen für eine optimale Entscheidungsfindung zu gewinnen, ist eine anspruchsvolle Aufgabe.
Professionell geführte Bewerbergespräche haben viele Gemeinsamkeiten mit der Gesprächsführung und Gesprächstechniken generell. Die wichtigsten nachfolgenden Punkte sollen Ihnen deshalb helfen, in einer von Fall zu Fall leicht angepassten Form auch diese Aspekte der Gesprächsführung in Ihren Kandidateninterviews zu berücksichtigen.
1. Die ersten entscheidenden vier Minuten
Es gibt Psychologen, welche die Meinung vertreten, dass die ersten vier Minuten über das Pro oder Contra über ein Bewerbergespräch führen entscheiden. Dazu ein erfahrener Recruiter: „Wer bei einem Bewerbungsgespräch zu sehr den Eindruck hat, der Kandidat sei der richtige und ideale, der sollte im weiteren Verlauf des Gesprächs bewusst und sehr kritisch nach Gründen suchen, die gegen die intuitive Eingebung sprechen“.
2. Bewerbergespräche führen: Dialoge verbinden, Monologe trennen
Eine elementare Tatsache, und dennoch wird genau dieser Punkt auch bei Interviews oft missachtet – lange Vorträge und endlose Unternehmensbeschreibungen können ein Interview wertlos machen. Ein hervorragendes Mittel zur Sicherstellung eines Dialoges im Bewerbergespräch führen, sind Fragen, die den Kandidaten immer wieder einbeziehen und sicherstellen, dass Gesagtes aufgenommen wird. Eine Faustregel besagt, dass 80 Prozent der Sprechzeit dem Bewerber zugestanden werden sollte.
3. Nach dem Wie und nicht nach dem Warum fragen
„Warum waren Ihre Erfahrungen mit früheren Arbeitgebern oft unbefriedigend und schlecht?“. Eine solche Warum-Frage engt ein und manövriert einen Kandidaten in eine Verteidigungssituation. Konstruktiver und sachdienlicher sind im Allgemeinen – je nach Gesprächssituation, Problemstellung und Gesprächspartner – Wie-Fragen. „Wie können Sie denn beispielsweise bei uns an der neuen Stelle Ihre Erfahrungen positiver und besser gestalten?“. Der Bestseller Mit besten Interviewfragen die besten Mitarbeiter gewinnen enthält auch dazu über 300 sehr interessante Fragen.
4. Bewerbergespräche führen mit aktivem Zuhören
Blickkontakt, Zwischenfragen, zugewandte Körperhaltung und Signale der Zustimmung sind die Kernelemente des aktiven Zuhörens. Dieses Gesprächsverhalten ist auch in der Praxis von Mitarbeitergesprächen deshalb so hilfreich und bedeutend, weil man hierdurch einen persönlichen Kontakt herstellen, die Gesprächsatmosphäre entspannen und bei schwierigen Interviews leichter eine emotionale Übereinstimmung erzielen kann.
5. Kandidaten aus der Reserve locken
Je nach Bewerber-Persönlichkeit kann ein Interview schleppend verlaufen, wenn Bewerber sich kaum äussern. Verschiedene Fragen können weiterhelfen, wie z.B. „Was meinen Sie, würde passieren, wenn Sie diese Entscheidung trotzdem fällen würden?“ Oder: „Denken Sie mal an die Erlebnisse der letzten Monate zurück – in welchen Situationen haben Sie sich besonders unwohl gefühlt?“, „Können Sie mir ein Beispiel nennen?“, „Das verstehe ich nicht ganz, erklären Sie es mir bitte näher“.
6. Ängste und Befürchtungen nehmen
Gerade bei Interviews können unbegründete Ängste ein Gespräch bzw. einen Kandidaten blockieren. Hier können Fragen wie „Was würde denn passieren, wenn Sie es dennoch täten?“ oder „Was geschähe, wenn Sie es dennoch versuchen würden?“. Zudem ist die Versicherung, dass ein Gespräch garantiert vertraulich ist und diskret behandelt wird, oft hilfreich.
7. Gestik und Mimik sagen im Bewerbergespräche führen oft die Wahrheit
Die Gestik unterstreicht Bewerber-Aussagen oder widerspricht ihnen. Die nachfolgenden praktischen Regeln zur Körperhaltung geben Hinweise, natürliche Gesten werden dabei oft mit dem Einsatz von Armen und Händen gemacht. Als Interviewer sollte man bestimmte nonverbale Signale als meistens recht zuverlässige Zeichen werten, ob Kandidaten in deren Aussagen oder Erwartungen übereinstimmen oder nicht konform gehen.
8. Einbezug und Beobachtung der Körpersprache
Was die Sprache nicht zeigen kann oder will, bringt der Körper zum Ausdruck. Ein Interviewer sollte sowohl zuhören als auch beobachten, ob das Gesagte mit der Körpersprache kongruent ist. Beachten Sie also stets die Übereinstimmung von Verhalten und Gesagtem und das Selbstbild des Kandidaten mit den Anforderungen der Stelle. Man kann wichtige Widersprüche feststellen, die warnen oder auf versteckte Unstimmigkeiten hinweisen.
9. Welches sind die Grundmotivatoren?
Menschen lassen sich von unterschiedlichen Prinzipien, Glaubenssätzen und Lebenszielen leiten. Es kann wichtig und sehr hilfreich sein, solche Grundhaltungen in einem Interview zu (er)kennen. Es können sein: Erfolg, Anerkennung, Materielles, Ehrlichkeit, Zuwendung, Beständigkeit, Sicherheit usw. Fragen wie „Was bedeutet das denn für Sie?“ oder „Was gibt Ihnen denn diese Gewissheit?“. Antworten können dann sein: „In meiner Arbeit respektiert zu werden und Erfolg zu haben, bedeutet mir eben sehr viel“. Damit wird klar, dass Erfolg und Respekt bei einem Kandidaten mit dieser Aussage eine wichtige Rolle spielen.
10. Die Brücke des Verstehens
Bei Interviews sind Brücken zwischen Ihnen und Ihren Kandidaten für eine Vertrauensbasis von grosser Bedeutung. Sie können sie nutzen, um offen zu kommunizieren und sich auszutauschen. Es wäre schade, wenn Sie sie nicht voll ausschöpfen – und sich selbst durch negative Gedanken (mögliche Antipathie, unliebsame Details aus dem Bewerbungsdossier, eigenwillige, unkonventionelle Laufbahn usw.) und Erwartungen blockieren würden.
11. Humor zur Auflockerung und Entspannung
Man kann im Interview einen Sachverhalt zuweilen von einer humoristischen Seite her angehen, zu einer Stellenanforderung ein erheiterndes Erlebnis schildern, eine Prise Selbstironie einbringen oder einer Situation als Ganzes überraschenden und unerwarteten Humor abgewinnen. Humor lockert auf, schafft Nähe und baut Ängste ab.
12. Schwierige Sachverhalte visualisieren
Übermitteln Sie wichtige Sachverhalte und abstrakte Informationen zwischendurch mit Skizzen oder anderen Visualisierungen auf einem Blatt Papier. Dies kann ein Interview auflockern und komplexe Zusammenhänge vereinfachen. Es dient visuell orientierten Kandidaten, also Menschen, die eher bildhaft denken und ansprechbar sind, oft auch zu einem besseren Verständnis und schafft eine zusätzliche Kommunikationsebene.
13. Die Symbolkraft von Wort und Sprache
Die Wortwahl, die Sprache, die Beispiele und die Formulierung, die Menschen in Gesprächen verwenden, verraten mehr über deren Persönlichkeit und Charakter, als man gemeinhin annimmt. Sie sind oft Ausdruck der inneren Grundhaltung, sogenannte Repräsentanzen der Lebenswerte und Zeichen für die Art, wie sie Menschen und die Welt sehen bzw. wahrnehmen. Menschen, die beispielsweise oft negative, pessimistische Wörter verwenden wie katastrophal, verheerend, horrend usw. sind auch in ihrem Wesen oft negativ und pessimistisch.
14. Einfache und verständliche Ausdrucksweise
Es gibt Interviewer, die der irrigen Meinung sind, Eindruck zu machen und respektiert zu werden, indem sie mit möglichst vielen Fachbegriffen oder schwer verständlichen Managementvokabeln um sich werfen. Schon Molière sagte zu Recht: „Wer so spricht, dass er verstanden wird, spricht gut“. Wer nicht imponieren, sondern primär verstanden werden will, drückt sich einfach und verständlich aus.
15. Gewisse Fragen in Jobinterviews begründen oder erklären
Es gibt heikle, sehr kritische oder persönliche Interviewfragen, die besonders sensible oder unsichere Kandidaten aufs Glatteis führen und sie schnell verunsichern. Dies kann ein Interview unnötig belasten und die Vertrauensbasis negativ beeinflussen. Daher ist es zuweilen empfehlenswert, gewisse Fragen zu begründen, also zu sagen, was der Hintergrund oder Zweck einer Frage ist oder zu erklären, was man damit erreichen will oder worum es geht.
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