Arbeitszeugnisse

Was Sie über Arbeitszeugnisse schon immer wissen wollten

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Arbeitszeugnisse sind ein Dauerbrenner. Im folgenden Interview gibt uns Frau Priska Zorrilla von Topzeugnisse.ch prägnante und klare Antworten auf Fragen, die viele HR-Abteilungen und Zeugnisverfasser oft beschäftigen und verunsichern.

Nicht nur das Schreiben, Verfassen und Interpretieren von Arbeitszeugnissen bereitet in der Praxis oft Mühe. Es geht auch – nach wie vor – um Fragen der Codes, Umfang von Arbeitszeugnissen, Mitarbeiterbeteiligung und vieles mehr. Auf genau solche und viele Fragen mehr gibt Frau Priska Zorrilla von Topzeugnisse.ch in unserem Interview konkrete und hilfreiche Antworten. Das Thema wird auch im Werk “Arbeitshandbuch für die Zeugniserstellung” behandelt.

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Frau Zorilla, welches sind die grössten Mängel und Schwächen von Arbeitszeugnissen, welche Sie zu sehen bekommen?

Die Erstellung eines Arbeitszeugnisses gehört zwar zur Pflicht eines jeden Arbeitgebers, für viele Vorgesetzte bedeutet es jedoch mühsame Textarbeit, Zeitaufwand und unangenehme Gespräche. Es fehlt ihnen die nötige Zeit und vor allem die Erfahrung für die Erstellung eines professionellen Arbeitszeugnisses. Dies widerspiegelt sich leider auch in vielen Arbeitszeugnissen. Arbeitszeugnisse werden nach dem System ‘copy-paste’ verfasst und sind weit entfernt von individuellen und auf den Mitarbeitenden abgestimmten Arbeitszeugnissen.

Sind eigentlich Codierungen immer noch ein Problem, bzw. werden sie immer noch angewandt?

Leider ja. Mehrdeutige Formulierungen dürfen in einem Arbeitszeugnis jedoch nicht vorkommen. Sätze, welche Interpretationsspielraum offen lassen, gehören ebenfalls nicht in ein Arbeitszeugnis. Es ist eine grosse Herausforderung , ein klares und eindeutiges Zeugnis zu verfassen. Bei Unsicherheiten hilft nur ein klärendes Gespräch.

Ist der Vermerk “Dieses Zeugnis wurde uncodiert verfasst” immer noch empfehlenswert?

Da codierte Zeugnisse nicht mehr erlaubt sind, ist es eigentlich nicht notwendig. Da es jedoch immer wieder zu Verwirrungen führt, empfehlen wir heute sogar diesen Zusatz am Schluss des Zeugnisses zu verwenden. Somit wird klargestellt, dass das Unternehmen für Zeugnisse steht, die nicht verschlüsselt sind. Ein solcher Vermerk verleiht dem betroffenen Arbeitnehmer sowie zukünftigen Arbeitgebern Klarheit, das vorliegende Arbeitszeugnis nicht über sieben Ecken herum lesen und interpretieren zu müssen.

Worauf ist bei der Erstellung eines guten Arbeitszeugnisses vor allem zu achten?

Zeugnisse müssen nach folgenden 6 Kriterien verfasst werden: 1. Wahr 2. wohlwollend, klar und fair 3. vollständig 4. Einheitlich 5. Individuell und 6. transparent (das heisst eindeutig)

Soll der Mitarbeiter an der Erstellung eines Arbeitszeugnisses beteiligt werden, und wenn ja, wie?

Ein Arbeitszeugnis ist eine Bewertung des direkten Vorgesetzten über seinen Mitarbeitenden. Während der Anstellung müssen Mitarbeitergespräche, resp. Zielvereinbarungen geführt werden, bei welchen über Stärken, Schwächen, Verbesserungspotentiale usw. gesprochen wird. Das heisst bei diesen Gesprächen sollten Ansichten und Meinungen ausgetauscht und diskutiert werden.

Es ist deshalb nicht nötig, dass der Mitarbeitende bei der Erstellung seines Arbeitszeugnisses mit einbezogen wird. Es ist uns natürlich bekannt, dass Mitarbeitende ihre Zeugnisse teilweise sogar selbst verfassen müssen. Dies ist jedoch absolut nicht der Sinn eines Arbeitszeugnisses und hilft weder dem Unternehmen, noch dem Mitarbeitenden. Es ist schlichtweg unprofessionell.

Ein heikles Thema: Wie formuliert man negative oder ungenügende Leistungen?

Ein Arbeitszeugnis muss wahrheitsgetreu und klar sein. Wichtig ist in jedem Fall, dass auch in schwierigen Zeugnissen immer positive Eigenschaften vorausgehen. Negative Merkmale sollten klar genannt werden. Ein Zeugnis ist jedoch in keinem Fall dazu da, einen Mitarbeitenden schlecht zu machen und ihm die Job-Suche zu erschweren. Niemand besitzt ausschliesslich schlechte Eigenschaften. Also sollte der Schwerpunkt immer auf den positiven Qualifikationsmerkmalen liegen. Wahrheit kommt vor Wohlwollen. Wir raten, ein Arbeitszeugnis immer positiv zu beginnen. Dies vereinfacht es, die ebenfalls bedeutungsvollen negativen Aspekte zu akzeptieren. Leistungs- oder Verhaltensmängel müssen jedoch immer signifikant sein, damit sie erwähnt werden dürfen!

Wie kann man Konflikte vermeiden, wenn Mitarbeiter mit einem Zeugnis nicht einverstanden sind?

Indem man als Vorgesetzter seinen ‘Job’ bereits vor der Erstellung eines Arbeitszeugnisses richtig macht 🙂 Kommunikation, Ehrlichkeit, klares Feedback, ganz einfach ein professionelles Führen sind wichtig, damit es bei der Zeugnisübergabe nicht zu bösen Überraschungen kommt. Ein Mitarbeitender sollte nicht erst durch sein Arbeitszeugnis erfahren, dass sein Vorgesetzter mit seiner Leistung oder seinem Verhalten unzufrieden ist. Ohne klare Kommunikation kann sich weder der Mitarbeitende noch der Vorgesetzte weiterentwickeln.

Wie soll die Zusammenarbeit HR-Abteilung, Mitarbeiter und Vorgesetzter bei der Erstellung eines Arbeitszeugnisses optimal organisiert sein?

Auch hier ist eine klare Kommunikation zwischen der HR-Abteilung, dem Mitarbeitenden und dem Vorgesetzten essenziell. Die Ausstellung eines Arbeitszeugnisses ist in unseren Augen eine klare Führungsaufgabe und kann nicht aus Zeitgründen der HR-Abteilung übergeben werden.

Ein Mitarbeiter wurde wegen Alkoholismus entlassen. Darf bzw. muss dies im Arbeitszeugnis erwähnt werden, und wenn ja, wie?

Themen wie Alkoholismus oder sexuelle Belästigung sind heikel und müssen individuell behandelt werden. Der Arbeitgeber muss sich aber bewusst sein, dass er einer hohen Erwartungshaltung des Gesetzgebers zu entsprechen hat.

Wie beschreibt man Aufgaben genau und aussagekräftig?

Mit kurzen und aussagekräftigen Sätzen. Reden Sie nicht lange um den heissen Brei. Klar und eindeutig formulieren. (Anmerkung Redaktion: Zur Thematik Aufgabenbeschreibungen in Arbeitszeugnissen finden Sie hier einen separaten Beitrag in unserem HR-Blog)

Ein Zeugnis soll wahr sein, zugleich aber auch wohlwollend. Ist dies nicht oft ein schwer lösbarer Widerspruch?

Dies ist natürlich oft bei anspruchsvollen Zeugnissen schwierig, bei denen auch auf negative Vorkommnisse hingewiesen werden muss. Es ist jedoch immer zu bedenken, dass ein Zeugnis dem Mitarbeitenden auch der Kontrolle seiner Leistung dient.

Ein Mitarbeiter ist mit einem Zeugnis nicht einverstanden. Wie kann man eine Einigung erzielen?

Auch hier gilt, wenn ein Mitarbeitender mit dem Zeugnis nicht einverstanden ist, wurde meist auch vorhin nicht klar kommuniziert. Hierfür sind die bereits erwähnten Mitarbeitergespräche da. Der Mitarbeitende muss die Chance erhalten, etwas zu verbessern. Kommunikation ist fast immer der Schlüssel zum Erfolg.

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Welches sind die häufigsten Konfliktgründe, weshalb Mitarbeiter Zeugnisse nicht akzeptieren oder geändert haben möchten?

Es wird oft nur wenig über die Leistung oder das Verhalten ausgesagt, es werden Sätze verwendet, welche überhaupt nichts aussagen, Zeugnisse sind zudem oft unpersönlich oder sie enthalten Rechtschreibfehler bzw. sind sprachlich fehlerhaft.

Wo werden arbeitsrechtlich die grössten und folgenschwersten Fehler gemacht?

Negatives wird einfach weggelassen, nicht erwähnt. Weglassungen gelten jedoch in einem Zeugnis als Codierung. Man kann Tatsachen nicht einfach weglassen. Teilweise wird der Mitarbeitende nicht mehr objektiv beurteilt und der Schwerpunkt liegt bei den negativen Eigenschaften, wodurch sein Fortkommen erheblich erschwert wird. An dieser Stelle möchten wir auch erwähnen, dass der Arbeitgeber gesetzlich gehalten ist, dem Mitarbeitenden auf Verlangen jederzeit ein Zeugnis auszustellen.

Wie umfassend soll ein Arbeitszeugnis sein, oder wann soll ein Zeugnis besonders ausführlich sein?

Der Minimalumfang des Zeugnisses ergibt sich aus den gesetzlichen Anforderungen an den Inhalt. Es muss alle notwendigen Angaben zur Person des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers enthalten. Alle wesentlichen Tatsachen, die für das Gesamtbild des Arbeitnehmers von Bedeutung sind und an deren Festhalten ein künftiger Arbeitgeber ein berechtigtes und schützenswertes Interesse hat, sind zu berücksichtigen. Jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf ein individuelles Arbeitszeugnis

Welches sind generell wichtige Kriterien?

Es muss auf seine persönliche berufliche Entwicklung eingegangen werden, die berufsspezifischen, arbeitsplatzbedingten und persönlichen Besonderheiten berücksichtigen und bei einem qualifizierten Zeugnis eine individuelle Formulierung der Leistung und des Verhaltens enthalten. Das Zeugnis muss über folgende Kriterien Auskunft geben: a) Die Art der Anstellung b) Die Dauer der Anstellung c) Qualifikation der Leistung d) Qualifikation des Verhaltens

Was ist heutzutage bei Arbeitszeugnissen für Führungskräfte besonders wichtig?

Es spielt keine Rolle ob ein Arbeitszeugnis für eine Führungskraft oder einen Mitarbeitenden ohne Führungsfunktion formuliert wird. Es ist immer auf dasselbe zu achten. Bei Führungskräften muss zusätzlich jedoch noch das Führungsverhalten bewertet werden. Projekte und Meilensteine werden ebenfalls erwähnt. Der Aufgabenbereich ist meist umfangreicher.

Für falsche Zeugnisaussagen kann man haftbar gemacht werden. Worauf ist hier zu achten

Ungenügende Leistungen nicht zu erwähnen, ist fahrlässig. Als Führungsperson muss man sich auch schwierigen und unangenehmen Situationen stellen. Unangenehme Tatsachen einfach wegzulassen ist juristisch wie auch führungstechnisch nicht korrekt. Bei solchen Zeugnissen wird spekuliert. Wahrheit kommt vor Wohlwollen. Das ist vor allem bei signifikanten Eigenschaften wichtig.

Oft ist die Angst vor dem Arbeitsgericht sehr gross. Wieso eigentlich?

Das Arbeitsgericht verlangt lediglich, dass Schwächen moderat formuliert werden. Formulieren Sie wahr und klar und vergessen Sie nicht, dass keiner von uns nur Schwächen hat. Haben Sie Mut zum Schreiben und suchen Sie immer wieder das Gespräch. Arbeitszeugnisse beschäftigen Arbeitgeber und Arbeitnehmer immer wieder. Da ein Zeugnis für den Mitarbeitenden sowie auch das Unternehmen eine grosse Bedeutung hat, ist es wichtig, beide Seiten so gut wie möglich zu berücksichtigen

Weshalb bzw. für welche Bereiche benötigen Ihre Kunden Ihre Hilfe vor allem? Wo liegen die Schwerpunkte Ihrer Beratung und Dienstleistung?

Wir analysieren einerseits Arbeitszeugnisse, welche bereits ausgestellt wurden und sich die Arbeitnehmer unsicher sind, ob sie sich mit den Zeugnissen problemlos bewerben können. Es tauchen Fragen betreffend ‘Codierungen’, dem korrekten Inhalt, den rechtlichen Aspekten, fehlenden Angaben bis hin zu Rechtschreibfehler auf. Bei Bedarf überarbeiten wir die Zeugnisse auch. Andererseits erstellen wir für verschiedene Unternehmen, welche mit dem Outsourcing der Zeugnisse Kapazitäten schaffen, auf die Mitarbeitenden persönlich abgestimmte Arbeitszeugnisse. Da ein Zeugnis auch für den Mitarbeitenden eine grosse Bedeutung hat, ist es uns wichtig beide Seiten so gut wie möglich zu berücksichtigen.

Informationen zu Topzeugnisse.ch

Priska Zorrilla-Holenstein und Nicole Rallo-Holenstein bieten unter www.topzeugnisse.ch eine breite Palette von Dienstleistungen rund um Arbeitszeugnisse an, die von Zeugnisanalysen über die Erstellung von Einzel-Arbeitszeugnissen bis zum Outsourcing des gesamten Zeugniswesens reichen.

Sie greifen auf eine Erfahrung von über 2000 geschriebenen Zeugnissen und Analysen zurück. Dank deren Erfahrung, Kompetenzen und der Spezialisierung bieten sie für alle Unternehmensgrössen und Anliegen höchst kompetente und flexible Dienstleistungen zu Fragen von Arbeitszeugnissen an.

Das “Arbeitshandbuch für die Zeugniserstellung”
ist soeben in der Neuauflage 2023 erschienen
.
Mehr dazu hier.

 

4 Kommentare zu “Was Sie über Arbeitszeugnisse schon immer wissen wollten

  1. Kurt Aschwanden

    Der Aufwand für Zeugnisse ist nach unseren Erfahrungen einach immens hoch. Da kommt man ohne Textbausteine, Standartvorlagen, Mithilfe von Mitarbeitern, Rastern, Formualren und dergleichen nicht aus. Ist aber gutes Interview.

  2. Gutes Interview, aber mit dem Einbezug von Mitarbeitern (jeweils mit Vorbesprechung, Entwurf-Lesung und Abschlussbesprechung) machen wir bei uns sehr gute Erfahrungen.

  3. Dieses Interview und viele Ihrer Beiträge in diesem HR-Magazin sind wirklich erste Klasse – informativ, praxisnah, spannend geschrieben, oft sehr hilfreich und mehr. Vielen Dank und bitte weiter so….

  4. Tolles, sehr informatives Interview mit Fakten und Interessantem ohne Bla bla. Vielen Dank an Frau Zorilla und die Redaktion dieses Blogs.

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