Personalgewinnung

Intelligenztests bei Personalauswahl: Ja oder Nein? Ja, aber…

brille

Viele Bewerber lehnen sie ab und sind skeptisch, doch manche Unternehmen schwören darauf: Bei kaum einem Instrument der Personalauswahl gehen die Meinungen und Ansichten über Nutzen und Zuverlässigkeit so weit auseinander wie bei Intelligenztests.

Bei der Suche nach Führungskräften oder Fachleuten in anspruchsvollen Positionen mit hohen Anforderungen auch im intellektuellen Bereich spielen Intelligenztests eine wichtige Rolle. Grundsätzlich sollen sie den Unternehmen klarer, messbarer und objektiver zeigen, was Bewerber maximal leisten können und wie es um ihre intellektuellen Kapazitäten steht. Dabei geht es vor allem um die kognitiven Fähigkeiten, also die Fähigkeit zum Abstrahieren und Analysieren, zum Anwenden von Wissen und zur Problemlösung.

Relevanz und Bedeutung der Intelligenz

Umfangreiche Studien zeigen, dass insbesondere die allgemeine Intelligenz oft ein zuverlässiger Indikator für den späteren Berufserfolg ist und Tests genaue Messresultate liefern. Diverse wissenschaftliche Untersuchungen bescheinigen Intelligenztests sogar eine grössere Zuverlässigkeit und Relevanz als Assessment Centers. Im Grunde genommen ist dies nicht weiter erstaunlich, denn die Intelligenz ist eine Voraussetzung dafür, sich mit Lernfähigkeiten ausreichendes berufliches Wissen aneignen zu können Probleme und Chancen schnell und ganzheitlich zu lösen bzw. zu erkennen und sich schnell in neue Aufgabenstellungen hineindenken zu können.

Die Stärken von Intelligenztests

Psychologische Testverfahren sind im allgemeinen geeignet, Fähigkeiten objektiv, allgemeingültig und zuverlässig zu messen. Das gilt in besonderer Weise für Intelligenztests, weil
sie die kognitiven Fähigkeiten eines Mitarbeiters ausloten und genau von solchen ein Grossteil der Arbeitsleistung ausgeht. Intelligente Mitarbeiter erledigen anspruchsvolle Aufgaben in der Regel schneller, haben eine bessere Auffassungsgabe, setzen besser Prioritäten, sind lernfähig, sehen Dinge ganzheitlich und in Zusammenhängen und sind oft auch sehr anpassungsfähig.

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Intelligenztests sind vom Prinzip her immer gleich

Im Gegensatz zu Persönlichkeitstests und persönlichen Interviews können Intelligenztests Recrutier kaum in die Irre führen oder etwas vortäuschen, was nicht vorhanden ist. Es gibt zur Hauptsache nur logisch richtige und logisch falsche Antworten und die Manipulationsmöglichkeiten sind eingeschränkt, es sei denn, Bewerber kennen die Mechanismen und Eigenheiten der Tests aus der Fachliteratur und bereiten sich intensiv darauf vor. Dies kann Tests, wenn auch nicht grundsätzlich, so doch in einigen Teilen verfälschen und ist auch deshalb möglich, weil im Kern Intelligenztests eigentlich immer gleich funktionieren. Abgefragt werden anhand von Text-, Rechen- und Bildaufgaben das Gedächtnis, die Verarbeitungskapazität, die Arbeitsgeschwindigkeit und die Kreativität und der Durchschnitt der Werte dieser Faktoren bildet dann den Gesamtwert.

Auf Qualität der Tests achten

Die Mehrheit eingesetzter Tests ist mangelhaft bis unbrauchbar und hält wissenschaftlichen und
professionellen Kriterien nur selten Sand. Sie können im Gegenteil zu schwerwiegenden Fehlentscheidungen führen. Das liegt daran, dass die Entwicklung hochwertiger Tests hohe Kosten verursachen und daher in der Regel sehr teuer sind. Angewandt werden
Intelligenztests in der Auswahlpraxis aber recht häufig. Das ist oft auch darauf zurückzuführen, dass sich Personalabteilungen für Entscheidungen häufig rechtfertigen müssen oder wollen und dann gerne auf messbare und nachweisbare Belege und Testresultate zurückgreifen – und gerade dafür sind Intelligenztests natürlich besonders geeignet, denn sie dienen damit auch häufig der Legitimierung der Auswahl.

Einsatz nur in Kombination mit anderen Verfahren

Das Problem: Viele kommerzielle Anbieter legen die Hintergründe ihrer Verfahren zudem nicht offen oder man ist ganz einfach mit der Auswertung als psychologischer Laie dann oft überfordert. Hinzu kommt weiteres Problem: Die Auswertung der Tests ist meistens recht eindeutig und objektiv, gibt aber nur Aufschluss über das, was im Test gemessen wird, bzw. was messbar ist. Demgegenüber können ergänzende Gespräche oder Spezialtests zu anderen Bereichen, wie jene der Sozialkompetenzen, Einsichten zu Bereichen bieten, an die man vorher nicht gedacht hat. Ob eine Bewerberin für den Kundendienst geschickt kommuniziert oder sich zuvorkommend verhält und belastbar ist, erfährt man in Tests nicht.

Beitrag zu mehr Fairness und Objektivität

Professionell eingesetzt und in Kombinationen mit anderen Auswahlverfahren können Intelligenztests – wie übrigens auch andere Tests – jedoch ein Auswahlverfahren fairer gestalten und auf Schwächen und Stärken, aber auch Talente hinweisen, die sonst verborgen blieben, welche für die Stelle wesentlich oder sogar besonders wertvoll sein können. Wenn die intellektuelle Leistungsfähigkeit oder beispielsweise geistige Beweglichkeit als ganzes entscheidend ist, ist es empfehlenswert, einen geeigneten Test einzusetzen, um sie zu messen, denn in Gesprächen können beispielsweise Schwächen leichter umschifft werden oder Stärken zu wenig zum Vorschein kommen.

Gute und systematische Auswahlprozesse kombinieren stets verschiedene Auswahlinstrumente, die an verschiedenen Stufen Phasen jeweils Unterschiedliches messen. Durch eine solche Kombination lässt sich Gesamtvalidität des Auswahlprozesses natürlich erhöhen und Anstellungsentscheide auch breiter abstützen.

Testverfahren und Testbereiche variieren

Zu empfehlen sind auch unterschiedliche Testverfahren und –themen, denn sie ermöglichen eine ganzheitliche, ausgewogene und breit abgestützte Bewerberbeurteilung. Dies können allgemeine oder fachbezogene Intelligenztests, Assessment-Centers, Konzentrationstests, Leistungstests sowie berufsbezogene Persönlichkeitstests, Potenzialanalysen oder Spezialtests (Sprachen, Medienkompetenz, Technologie-Know-how usw.) sein. Zu beachten ist also insgesamt:

  • Sorgfältige Evaluation qualitativ einwandfreier Tests
  • Bei Evaluation und Interpretation Beizug von Fachleuten
  • Einsatz nur mit anderen Auswahlverfahren (Interviews) zusammen
  • Berücksichtigung nicht messbarer Aspekte (Sozialkompetenzen)
  • Vorsichtige Analyse, Auswertung, Abstimmung und Interpretation
  • Stellenwert der Intelligenz bezüglich Stellenprofil richtig einschätzen
  • Ausrichtung auf Anforderungsprofil und Relevanz der Stelle
  • Den Kandidaten Tests adäquat begründen und Zweck erklären

Insgesamt gilt also: Intelligenztests sind zu befürworten und ein gutes und zuverlässiges Auswahlinstrument, aber nur, wenn die Qualität der Tests stimmt, die Interpretation professionell ist, ein Mix aus verschiedenen Instrumenten zum Einsatz kommt und der Test auf adäquate Weise mit den Stellenanforderungen kompatibel ist.

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2 Kommentare zu “Intelligenztests bei Personalauswahl: Ja oder Nein? Ja, aber…

  1. Dem Artikel ist wenig hinzuzufügen. Methodenmix auch bei der Personalauswahl (“multi-modal”) und professionelle Interpretation sind unabdingbar. Eine deutliche Argumentation für notwendige Fachkenntnisse in HR, die ich häufig vermisse.

    Eine Argumentation kann ich hingegen nicht nachvollziehen. Der Autor behauptet, Intelligenztests seien häufig im Einsatz und Personalabteilungen müssten sich für die Entscheidung rechtfertigen. Meine Erfahrung aus Gesprächen mit viele Personalern und vor allem anhand von Befragungen in der Literatur deuten vielmehr darauf hin, dass Intelligenztest zumindest in Deutschland wenig bis gar nicht im Einsatz sind, im Gegensatz zur USA, wo 50% zitiert werden.

    Personalabteilungen müssen sich vielleicht für die situative Entscheidung rechtfertigen, selten bis nie aber für die Ergebnisse ihrer Entscheidung.
    Wenn es nach der Einstellung schlechter als möglich funktioniert, merkt das niemand. Wenn es richtig schlecht läuft, liegt es am Kandidaten, vielleicht an der Führungskraft, aber in der Wahrnehmung NIE an der Auswahlentscheidung der Personalabteilung. Anders ist auch nicht zu erklären, weshalb vor den allermeisten Personalentscheidungen keine wissenschaftliche Personaldiagnostik betrieben wird (meine persönliche, steile These).

  2. Cavusoglu

    Ich halte nicht sehr viel von solchen Tests. Tests bezogen auf die zu besetzende Position finde ich gut. Wenn man sich auf die bisherigen Tätigkeiten konzentriert und das Know-how über das bisher erlernte dann hat man schon viel gewonnen. Um das transparenter zu machen sollte man jedoch diese in einem Bewertungssystem machen. Ähnlich wie ein Grad jedoch aus Kandidatensicht. .

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