Handlungs- und Situationsfragen sind in Interviews ein sehr guter Weg, um konkrete und glaubwürdige Antworten zu erhalten. Dabei hilft ein systematisches Vorgehen am meisten. Welches, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Bei dieser Art von Fragen wird eine reale Situationen simuliert, wodurch man herausfinden kann, wie der Kandidat sich in bestimmten Situationen wirklich verhält. Damit wird die Chance auf konkrete, authentische Informationen erhöht und Antworten geben meistens ein klareres Bild ab, als allgemein gehaltene, pauschale Meinungen.
Sie helfen auch weniger ausdrucksstarken Kandidaten und solchen mit einem weniger ausgeprägten Abstraktionsvermögen. Es wird von den Kandidaten jeweils eine hohe situative Flexibilität abverlangt und es zeigt sich auch, wie gut der Bewerber im Gesprächsverlauf zuhören kann. Aufschlussreich ist auch, wie überzeugend der Kandidat seine verbal bekundeten Kompetenzen in aktives Verhalten umzusetzen versteht.
Bei situativen Fragen trägt aber eine Systematik wie die folgende zur Gewinnung wesentlich zu wertvollen und aussagekräftigen Informationen bei. Es spielt eine Rolle, welche Situation man wählt, was man hören möchte, wie der Kandidat dabei vorgeht und welche Lösungswege er konkret favorisiert. Mit einem gezielten Nachfragen wird der Fragentrichter noch spezifischer.
1. Für Unternehmen und Stelle wichtige Eigenschaft oder Anforderung
Hier geht es im ersten Schritt darum, eine für Sie wichtige Kernanforderung aus dem Anforderungsprofil auszuwählen. Dies können wichtige Erfolgsfaktoren oder kritische Kompetenzen sein, die für die optimale Stellenbesetzung entscheidend sind. Dies können sein: Belastbarkeit und Stressresistenz, wichtige Kernkompetenzen, technologisches Know-how, Fremdsprachenkenntnisse, besondere Führungserfahrung, Medienkompetenz und vieles mehr. Nachfolgend wird das Beispiel 2Belastbarkeit und Stressresistenz“ weiter verwendet.
2. Für Stelle typische oder das Unternehmen wichtige Situation
Nun binden Sie diese Anforderung in eine für Ihr Unternehmen und die Stelle wichtige und typische Situation ein. Um so näher diese an die aktuelle und für Sie wichtige Stellenrealität kommt, desto interessanter wird die Kandidatenantwort ausfallen. Dies können aktuelle Probleme, Herausforderungen, Projekte, neue Technologien, vorhandene Defizite, neue Strategien, Termindruck in Umsetzungen, Charakter und Erwartungen von Teams und mehr sein. Auch hier ein Beispiel:
Die starke Konkurrenzsituation und schmale Margen haben einen Erfolgsdruck durch hohe Umsatzvorgaben zur Folge
3. Wie wird das Ziel erreicht oder das Problem gelöst?
Nun geht es darum, möglichst konkret zu erfahren, wie, d.h. mit welchen Fach- und Sozialkompetenzen der Kandidat diese Anforderung erfüllen bzw. umsetzen würde. Diese Antworten zeigen, ob sie kompatibel sind mit Ihrer Unternehmenskultur, Ihrer Personalpolitik und Ihren Qualitätsanforderungen im Bereich von Fach- und Sozialkompetenzen.
Fachkompetenz
Hier kommen Know-how, Erfahrungen und Problemlösungswege zur Sprache. Welche Instrumente, Methoden und Ideen wählt und nennt der Kandidat? Dies kann auch die Methodenkompetenzen oder Bereitschaft zur Weiterbildung betreffen.
Beispiel: Der Kandidat sagt unter anderem, mit genauen Konkurrenzbeobachtungen und Marktanalysen Druck wegzunehmen und schnell handeln zu können. Das sagt Ihnen zu, denn damit haben Sie bereits gute Erfahrungen gemacht.
Sozialkompetenzen
Welche sind wichtig bezüglich Vorgesetzten, dem Team und der Unternehmenskultur? Die Fragen könnten lauten: Wie würden Sie die Mitarbeiter dazu motivieren, worauf würden Sie bei der Kommunikation achten?
Beispiel: Der Kandidat versichert, Stress und Druck nicht auf Mitarbeiter abzuwälzen. Doch mit Zielvereinbarungen, konsequenter Förderung und modernen Analyseinstrumenten will er sie unterstützen.
4. Mehr erfahren mit Nachhaken: Weshalb und wie genau?
In zwei bis drei Aspekten kann eine Vertiefung notwendig sein, die noch spezifischer auf Ihre Anforderungen und Ihr Unternehmen ausgerichtet ist. Es sind dies Folgefragen bei den Antworten, weshalb und wie genau der Kandidat die eine oder andere Vorgehen wählt.
Beispiel: Mitarbeiterförderung ist bei Ihnen zur Zeit ein wichtiges Thema. Deshalb haken Sie hier sie folgt nach: „Sie nennen die Mitarbeiterförderung. Was wäre Ihnen hier wichtig, wie würden Sie dabei vorgehen wo würden Sie Prioritäten setzen?
Mit einer solchen Anschlussfrage wird der Bewerber gezwungen, noch konreter und genauer zu werden und zu beweisen, dasss das Gesagte mehr als nur Worthülsen oder angelesene Management-Weisheiten sind. Vermag der Kandidat hier individuell und substanziell zu antworten, verrät er auch wirkliche Kompetenz und wirkt somit glaubwürdig.
Beispiele von Handlungs- und Situationsfragen
Nachfolgend zeigen Ihnen einige thematisch und vom Detaillierungsgrad her recht unterschiedliche Fragen anhand konkreter Beispiele die Formulierungsmöglichkeiten in der Interviewpraxis:
„Angenommen, unser Speditionschef würde für zwei Monate ausfallen – wie wäre es für Sie, in einem anderen Bereich Hand anzulegen und einzuspringen“?
„Sie müssten einem Mitarbeiter eines zehnköpfigen Teams, der sehr beliebt war, kündigen. Wie würden Sie vorgehen, worauf würden Sie besonders achten und wir würden Sie dies im Team kommunizieren“?
„Sie liegen massiv hinter den Verkaufszielen und der Druck nimmt zu. Sie wissen aber nicht, welches die Gründe sind. Was würden Sie unternehmen, welche Methoden der Problemlösung würden Sie einsetzen und wie würden Sie mit dem Druck und Stress umgehen“?
„Es würde mich interessieren, wie Sie sich in folgender Situation verhalten und was sie machen würden. Sie müssen bei einem eher älteren Team völlig neue und andere Abläufe und Arbeitsmethoden einführen und Sie hätten mit Widerständen zu rechnen. Wie würden Sie dabei vorgehen“?
„Angenommen, Sie kommen regelmässig zwei bis drei Monate lang erst spät abends nach Hause und müssten jeden Monat für drei bis vier Tage ins Ausland. Wie wäre das für Sie? Würde das Ihre Lebenspartnerin zum Beispiel stören, würden Sie mit Problemen rechnen?
„Ein neuer Personalchef würde Mitarbeiterförderung zum Thema des Jahres wählen und von Ihnen einen konkreten Vorgehensplan mit ebenso konkreten Massnahmen erwarten. Wie würden Sie vorgehen, was wären Ihre Massnahmen – und wie wichtig ist ihnen Mitarbeiterförderung generell? Sehr interessieren würden mich auch ein bis zwei Beispiele aus ihrer Führungspraxis und -erfahrung“.
Fazit
Mit dieser Systematik, die man auch in einen Interviewleitfaden aufnehmen sollte, gelingt es, Fragen zu stellen und Informationen zu erhalten, die sehr aufschlussreich sind, weil sie sich durch einen genauen Bezug zu Ihrer aktuellen Praxis und wichtigen Unternehmensgegebenheiten und Anforderungen auszeichnen.
Und der Kandidat muss seine Kompetenzen konkret und authentisch unter Beweis stellen. Mit dem gezielten Nachhaken nach genaueren, spezifischeren oder konkreteren Mehrinformationen lässt sich dieser Vorteil noch mehr verstärken.
0 Kommentare zu “Interviewführung: So bekommt man ergiebige Antworten”