Digitalisierung ist im HR allgegenwärtig. Doch oft sind es Trends mit technologischen Schwerpunkten, Schlagworte wie Big Data und KI und vage Szenarien, denen wir begegnen, welche mögliche praktische Auswirkungen der Digitalisierung nur schwer fassbar machen.
Wir haben nachfolgend einige veranschaulichende Szenarien und HR-Bereiche ausgewählt, bei denen sich die Digitalisierung schon heute auswirkt und diese beeinflusst. Die möglichen Beispiele der auf uns zukommenden Veränderungen und praktischen Auswirkungen sind jedoch keine Science-Fiction Fantasien, sondern basieren auf Trends und ersten Anwendungen, die schon heute bestehen oder sich abzuzeichnen beginnen.
Performance Management: Ganzheitlich und vernetzt
Das stärkenorientierte Feedback- und Multiratingsystem aus Vorgesetzten, Teams, Kunden und Ausbildern mit Sofortbeurteilungen hat sich durchgesetzt. Analysiert werden auch Datenbestände aller Kommunikationsinhalte, Bewertungen von Trainern, Kundengespräche und natürlich Zielvereinbarungen und mehr. Automatisch erstellte multimediale und interaktive Grafiken zeigen Entwicklungsprognosen auf. Sie fliessen direkt in die Karriereplanung und Mitarbeiterförderung ein und generieren Vorschläge für konkrete Weiterbildungsmassnahmen. Die individuellen Präferenzen der Lernformen einzelner Mitarbeiter werden ebenso einbezogen wie Lernbreitschaft und Lernfähigkeiten.
Recruiting: 100%-Matching wird Realität
Data Mining-Systeme durchforsten sämtliche jobrelevante Online-Plattformen von Xing- und Linkedin-Profilen über Jobportale bis zu Kommentaren in Expertenblogs und erzielen mit präzisem Targeting oft nahezu 100%-Matchings mit Anforderungsprofilen. Das Active Sourcing wird von Chatbots übernommen, welche nach ähnlichen Kriterien vorgehen und eine Vorselektionen der besten potenziellen Kandidaten treffen. Die Bereitschaft dieser zur Kontaktaufnahme mit den wichtigsten Musts zum Job liegt jeweils bereits vor. Das Performance Personalmarketing erreicht sowohl aktive wie auch passive Kandidaten mit einer höheren Erfolgsquote, da auch das Targeting, sprich die Zielgruppenausrichtung, wesentlich präziser geworden ist. Sogenannte Staff Recommender, automatisiert Kandidaten vorschlagende Empfehlungssysteme aufgrund öffentlich zugänglicher Profilinformationen werden ebenso wie die Robo Selectionen, automatisierte Vorauswahlen von Bewerbern, bereits eingesetzt.
Interviews: 24 Stunden 7 Tage bereit
24 Stunden aktive und ansprechbare Recruiting-Chatbots ermöglichen neu einen unmittelbaren, interaktiven und dialogorientierten Bewerbungsprozess. Im Moment der Anfrage erhält der Bewerber schon eine Reaktion und für das Unternehmen wichtige Skills werden bereits automatisch in den Talentpool eingespeist. Die Chatbots bewältigen Hunderte von Kandidaten und informieren Bewerber, sobald eine Entscheidung gefällt wurde, auch über die nächsten Schritte. Videointerviews per Smartphone werden in Echtzeit oder zeitversetzt in Kooperation mit Chatbots durchgeführt. Es wird ein ganzes Set von relevanten Videosequenzen, Soll-Ist-Grafiken von Skills, Kernaussagen und Bewerberdaten zur Entscheidungsfindung zusammengestellt.
Mitarbeiterbindung: Die Macht der Daten
Riesige Big Data Pools mit Daten aus sämtlichen Beständen und Inhalten von E-Mails über Sofort-Feedbacks bis zu Gesprächsprotokollen sind in der Lage, mit einem Predective Analyse-System Prognosen und wahrscheinliche Entwicklungen zu erstellen. Fluktuationsanstiege, Kündigungswahrscheinlichkeiten von Mitarbeitern, Arbeitsklima in Teams und sich stark entwickelnde und bemerkbar machende Kompetenzen und Skills von Mitarbeitern können vorausgesagt werden. Sie gelangen automatisiert in Anforderungsprofile von Vakanzen und wichtige Kompetenzen verraten, in welchen aktuellen Projekten diese benötigt werden und fliesen auch in die Karriereplanung und Mitarbeiterförderung ein, wo sie für Feedbackgespräche zu Verfügung stehen.
Personalentwicklung: Just in time
Das Performance Management ist eng verzahnt mit der Personalentwicklung und Mitarbeiterförderung. Die Lernlandschaft verändert sich und Seminarangebote werden von Blended-Learning Konzepten und einem umfassenden Wissensmanagement im Hintergrund abgelöst, welches sich selbstlernend weiterentwickelt. Künstliche Intelligenz steuert beispielsweise das Training on the job: Bei Defiziten, Wissenslücken oder Handlingproblemen schaltet sie sich sofort ein und bietet unter Berücksichtigung individueller Lernpräferenzen des Mitarbeiters zum gerade aufgetretenen Problem zugeschnittene Soforthilfe. Daraus werden am Monatsende Vorschläge für Entwicklungsmassnahmen generiert. Diese werden dann aber nicht von einem Chatbot, sondern von einem HR-Verantwortlichen Face to Face geführt :-).
Employer Branding: Im topaktuellen Realitätschek
Hier findet ein permanenter und automatisierter Soll-Ist-Vergleich der Brandingziele mit der Ist-Realität und den sich dort abzeichnenden Trends statt. Feedbacks von Bewerbern zur Beurteilung des Recruitingprozesses, Postings aus Arbeitgeber-Bewertungsportalen, Fluktuations- und Einstellungsquoten, Austrittsgespräche und mehr werden automatisiert strukturiert und fliessen in ein Markenprofil ein, welches den Brandingzielen gegenübergestellt wird. Videomessages, Originalzitate von Bewerbern, Kunden und Mitarbeitern und interaktive Grafiken zeigen Abweichungen mit Handlungsbedarf und erstellen ein Stärken-Schwächen-Profil, welches permanent auf neuesten Daten basierend aktualisiert wird.
Digitalisierung des HR: Den Menschen wird es immer brauchen
Prozesse, Analysen, Prognosen, Entscheidungsfindungen, Handlungsbedarf, Trends, Erfolgskontrollen und mehr sind wie mit obigen Beispielen veranschaulicht, weitgehend automatisiert und digitalisiert. Personaler greifen dort ein und werden dann aktiv, wenn Algorithmen und künstliche Intelligenz versagen oder unzuverlässig werden. Wie steht es um die Sozialkompetenzen dieser Führungskraft, wie muss auf relevante Abweichungen im Employer Branding reagiert werden, welche Faktoren des Cultural Fit sind wirklich relevant und wie reagieren wir ganzheitlich auf ein sich negativ entwickelndes Arbeitsklima? Dies sind nur einige von vielen Fragen mehr, welche nach wie vor nur kreative, empathische und ganzheitlich vernetzte Menschen und HR-Verantwortliche beantworten können.
Neuen Chancen nutzen aber auch kritisch bleiben
Doch sie müssen diese grosse Chance nutzen und dank frei werdender Ressourcen damit zur Wertschöpfung des Unternehmens beitragen und auf relevante Veränderungen und Trends schnell und adäquat reagieren. Das heisst aber auch: Den Menschen in den Mittelpunkt stellten und nicht nur Kosten zu sparen und immer mehr an Algorithmen abzudelegieren. Ebenso wird das HR aber auch in der Pflicht stehen, die Grenzen der Digitalisierung zu erkennen, einzugreifen, wenn Datenschutz und Privatsphäre gefährdet sind und jene Bereiche orten, bei denen menschliche Fähigkeiten und Stärken auch der besten KI noch immer haushoch überlegen sind. Und davon gibt es noch immer viele.
Künstliche Intelligenz wird überschätzt
Chris Boos, eine Koryphäe auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz, ist felsenfest davon überzeugt: „Künstliche Intelligenz wird nie mehr können als der Mensch, der sie erschafft. Maschinen können einen Rembrandt malen, aber keinen Kubismus erfinden. Der Mensch hat Kreativität und Innovationskraft. Das macht ihn auch in 40 Jahren noch jeder Maschine überlegen“. Eine Aussage, die genau so für das HR gilt: Chatbots werden Standardfragen beantworten und Anforderungslisten abhaken können, aber nie Sozialkompetenzen, Cultural Fit und Menschenbild eines Kandidaten nuanciert und differenziert genug beurteilen können.
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