Bei Assessment Centers gehen die Meinungen teilweise weit auseinander – für die einen sind sie das ideale Auswahlinstrument schlechthin und für die anderen eine Plattform für Blender und Schauspieler. Wir haben uns bemüht, sachlich relevante Pro’s und Contra’s für Ihre Entscheidungsfindung herauszufiltern.
Bei Assessment Centers handelt es sich um eine etablierte Methode der Qualifikations- und Eignungsermittlung, der Potenzialbeurteilung und der Personalauswahl. Mit Hilfe von praxisnahen Problemlösungs- und Entscheidungsaufgaben werden Situationen simuliert, die von den Kandidaten verschiedene Fähigkeiten und Verhaltensweisen erfordern, z.B. analytisches Denken, Einsatzwille, Organisationsvermögen, Kooperationsbereitschaft, Kommunikations- und Argumentationsstärke.
Die Pro-Argumente
Grundsätzlich verfolgt ein Assessment-Center zwei Ziele. Es soll einerseits dazu beitragen, Fach- und Führungspotenzial zu erkennen und zu analysieren und andererseits die Entwicklungsfähigkeit dieses Potenzials mit den geeigneten Förder- und Bildungsmassnahmen zu ermöglichen. Diese beiden gleichzeitig eruierbaren Ziele, die besonders auch relevante Erkenntnisse und Skills ermöglichen, machen Assessment-Centers auch für die Personalentwicklung interessant.
Praxisnahe und vielfältige Beurteilungsmöglichkeiten
Für Assessment Centers sprechen die authentische und praxisnahe Beurteilungsmöglichkeit, die Tests konkreter Verhaltens- und Kommunikationsweisen, die direkte Vergleichbarkeit mit anderen Teilnehmern, die individuellen und relevanten, auf die Stelle und Anforderungen bezogenen Aufgabenstellungen und Aufschluss über teilweise sehr relevante Sozialkompetenzen von Führungskräften wie Kommunikation, Belastbarkeit, Durchsetzungsvermögen, Wirkung der Persönlichkeit und natürlich die spezifischen Führungskompetenzen.
Relevante Kompetenzen
AC’s verraten oft auch, wie strukturiert die Arbeitsweise eines Kandidaten ist und wie systematisch und überlegt er an Aufgaben herangeht. Wie stark Bewerber in Diskussionen auf andere Teilnehmer Einfluss nehmen, ihre Standpunkte vertreten und durch Argumente zu überzeugen verstehen, ist ebenfalls oft aufschlussreich. Von grosser Bedeutung und zu selten im Mittelpunkt des Interesses ist die Leistungsmotivation eines Bewerbers – wie sehr engagiert er sich in den Aufgaben, wie sehr mag er andere mitreissen?
Ist ein Assessment Center gut konzi-piert, kann es aufschlussreich sein und auch hohe Kosten rechtfertigen.
Breit abgestützte Urteile und Beobachtungen
Vorteilhaft ist auch, dass zahlreiche Kompetenzen sowohl im Fach-, wie auch im Sozialbereich in relativ kurzer Zeit unter recht realen Bedingungen getestet und beobachtet werden können. Bewerber bekommen heutzutage eher Aufgaben, die sich sehr stark an deren zukünftiger Funktion im Unternehmen orientieren als dies früher der Fall war. Die Beurteilung durch mehrere Personen wie Leiter Personalwesen, Mitglieder der Geschäftsleitung und allenfalls Psychologen gestatten zudem breit abgestützte und objektive Meinungen und Entscheidungen und Sympathien und Antipathien werden zurückgeschraubt.
Ein AC soll und will nicht alles offen legen
Objektiverweise muss man sich im klaren sein, dass bei einem Assessment Center weder der Intelligenzquotient noch Fachwissen abgefragt auf dem Prüfstand stehen, sondern vielmehr herausgefunden werden soll, ob Kandidaten mit der Unternehmenskultur kompatibel sind und über die relevanten Sozial- und Führungskompetenzen verfügen. Im Mittelpunkt stehen Fähigkeiten im sozialen und kommunikativem Bereich, das erkennbare Führungspotenzial, die Belastbarkeit, das persönliche Auftreten mit dem erwarteten Selbstvertrauen und Verhalten in und Reaktionsweisen in ausserwöhnichen, stresserzeugenden Situatonen.
Die Contra-Argumente
Es gilt aber auch, die Methode des AC mit kritischen Vorbehalten zu sehen. Es besteht mitunter die Gefahr, tendenziell narzisstische Persönlichkeiten auszusuchen, Menschen mit hohem Selbstvertrauen, die andere für sich einnehmen, geschliffen formulieren können und eine hohe Risikobereitschaft haben, die weit über ihre eigenen Fähigkeiten und die ihrer Umgebung hinausreicht.
Ganzheitlichkeit der Werte
Gewisse Werte werden dabei zu wenig beachtet oder lassen sich gar nicht erkennen: Wofür steht jemand? Wie reagiert er in korrumpierenden Situationen? Wie steht es um seine Empathie? Wie steht es um sein Menschenbild in der Mitarbeiterführung, wenn es um Anerkennung und Förderung geht? Wer das Selbstmarketing beherrscht, kann oft übermässig überzeugen und gar blenden – was dann massiv aber über wahre Fach- und Sozialkompetenzen hinweg täuschen kann. Nur professionelle Beobachter können solche Kandidaten dann entlarven.
Wesentliches kann verborgen bleiben und im schlimmsten Fall den fähigsten Kandidaten uner-kannt lassen.
Belastbarkeit wird überbewertet
Der auf Kandidaten lastende Druck ist teilweise enorm, und Stärke und Belastbarkeit ist zuweilen sicher wichtig, aber in den meisten Fällen bei weitem nicht die entscheidende Kompetenz. Die Übungen unterscheiden sich von der Realität in mehr Aspekten, als dies auf den ersten Blick scheinen mag: Erholungspausen, ständige Beobachtung, immenser Konkurrenzkampf, Erfolgsdruck, Laboratmosphäre und fehlende Entscheidungsmöglichkeiten mit Reflexionen und im Team.
Zahlreiche Manipulationsmöglichkeiten
Die vielen Vorbereitungskurse und –bücher ermöglichen zudem Vorbereitungen und das Aneignen von Kenntnissen, die dann AC’s verfälschen können, indem Kandidaten mehr eine eingeübte Rolle spielen,als ihr effektives Verhalten erkennen lassen. Dann gewinnt nicht der Fähigste den Wettbewerb, sondern derjenige, der sich am besten verstellen und die überzeugendste Show präsentieren kann.
Hohe Kosten und grosser Aufwand
Zudem sind Aufwand und Kosten von Assessment-Centers, je nach Dauer, Teilnehmer, Instrumenten und externer Beratung in der Regel ausserordentlich hoch. Die Kosten pro Teilnehmer können durchaus um die 2000 Franken bzw. 1500 Euro herum betragen. Wissenschaftliche Untersuchungen haben zudem teilweise wenig überzeugende Resultate ergeben; so zeigte sich, dass sich lediglich 20% der relevanten und erfolgsentscheidenden Fähigkeiten erkennen und feststellen liessen.
Ein Instrument im Zusammenspiel mit anderen
Das Assessment Center kann ein sinnvolles Element bei der Mitarbeiterauswahl und –entwicklung darstellen. Wichtig ist, sich der Schwächen bewusst zu sein, Erkenntnisse relativieren zu können und sie anforderungsgerecht zu gewichten. Fallstudien, strukturierte Interviews, Arbeitsproben, Fachwissen-Tests und Eignungstests sind besonders empfehlenswerte, AC’s ergänzende Instrumente, da ihnen unterschiedliche Konzepte und Gewichtungen zugrunde liegen. Dies ergibt strukturierte und strategische Vorgehensweisen, welche Kandidaten ganzheitlich und in allen Facetten beurteilbar machen. Und dabei sind Assessment Centers ein wichtiger Bestandteil.
Fazit
Das Fazit könnte sein: Das Alltagsgeschäft und das sich Bewähren in der Praxis ist letztlich eben doch das beste Assessment-Center.
Wichtig ist vor allem, sich der Verfälschungsgefahren bewusst zu sein und Blender und gewiefte Selbstdarsteller zu erkennen – also Schein und Sein auseinander halten zu können.
Entscheidend ist zudem, wie professionell es eingesetzt wird, wie relevant es auf die Stellen- und Anforderungsrealität ausgerichtet ist, wie gut es in die anderen weiteren Auswahlinstrumente integriert und mitberücksichtigt wird und ob alle beteiligten Beobachter ihre Eindrücke relativieren können.
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