Google ist in vielfacher Hinsicht ein unkonventionelles und hochinnovatives Unternehmen. Dass diese Stärken auch für deren HR-Arbeit und -Verständnis gelten, ist nur wenig bekannt. Erfahren Sie hier vierzehn konkrete Beispiele und Erfolgsfaktoren dieses „Andersseins“.
1. Konsequente Mitarbeiterorientierung
Google begegnet Macht und Hierarchie mit gesundem Misstrauen und ist der Meinung, dass Macht zu Missbrauch verleitet. Deshalb verzichtet Google auf viele Statussymbole und hält von Hierarchie allgemein nicht viel. Firmenautos, auf die in anderen Unternehmen nur Führungskräfte Anspruch haben, stehen bei Google allen Mitarbeitern zur Verfügung und bessere Vorsorgeleistungen haben Führungskräfte ebenso nicht, um nur zwei Beispiele zu nennen. Das mögen auf den ersten Blick Details sein, aber in der Gesamtsumme wirken sie motivierend und sind Ausdruck von gelebter Mitarbeiterorientierung mit Fairplay.
2. Einstellungsmethoden
Nicht der Vorgesetzte entscheidet bei Einstellungen, sondern primär die Mitarbeiter und das Team. Die Akzeptanz und Integration neuer Mitarbeiter werden so wesentlich verbessert. Grosser Wert wird darüber hinaus – nach unserem Dafürhalten sehr beachtenswert und klug – auf die Kompatibilität mit der Unternehmenskultur und das Motivationspotenzial gelegt. Google gibt dem Hiring Prozess auch in Forschung und Aufwand konsequent allerhöchste Priorität. So werden viele Weichen von Beginn weg richtig gestellt, spätere Probleme vermieden und der Fokus auf wesentlichere und erfolgsrelevantere Aspekte gesetzt als Lebensläufe und Arbeitszeugnisse.
3. Perspektiven und Weiterentwicklung
Dazu Google: „Die besten Talente einzustellen ist nur der Anfang. Wenn Ihre Mitarbeiter bleiben sollen, motivieren und inspirieren Sie sie, ihre Karriere in Ihrem Unternehmen weiterzuentwickeln“. Nun ja, so revolutionär ist diese Erkenntnis nicht, man setzt sie bei Google höchstens konsequenter um. Mit der sogenannten Projektrotations-Methodik können Google Mitarbeiter „Neues“ entdecken und dazulernen. Autodidaktisches, kontinuierliches und selbstorganisiertes Lernen und die Fähigkeit sich anzupassen, sind bei Google wichtige Personalentwicklungsziele.
4. Momentaufnahmen zur Befindlichkeit
Das macht allerdings so niemand: Halbjährlich erstellen HR-Forscher ein psychografisches Profil der Belegschaft. Auffallend ist, wie ganzheitlich dieses ausgerichtet ist. Nebst Werten und Präferenzen interessiert man sich auch für deren Lifestyle und wie sich Arbeit und Job möglichst optimal in deren Privatleben integrieren lassen. Aber auch Analysen und Befragungen zur Effektivität von Belohnungssystem und mehr Pulsfühlungen gehören dazu. So erkennt man früh neue Trends und Bedürfnisse und kann sich darauf einstellen.
5. Stellenwert des HR und HR als Wissenschaft
Bei Google nennt sich das HR People Operations, was das ganzheitliche Verständnis der Personalarbeit zum Ausdruck bringt. Interessant sind auch der häufige wissenschaftliche Ansatz und viele Forschungsaktivitäten und Studien im Rahmen von People Analytics, welche das HR permanent weiterentwickeln und zu neuen und innovativen Erkenntnissen führen. Es gibt mit People & Innovation Lab sogar eine interne aus Wissenschaftlern bestehende Forschungseinheit, welche wichtige Management-Kernfragen ins Zentrum rückt.
6. Die allgegenwärtige Macht der Daten
Wie könnte es auch anders sein: Bei Google basieren viele HR-Entscheidungen und Innovationen auf Daten, vielfach anhand von Mitarbeiterbefragungen oder Kennzahlen eruiert, deren Ergebnisse dokumentiert, in Zusammenhänge gebracht werden und in konkreten Empfehlungen für das Management münden. Man setzt sich mit Big Data zum Ziel, HR-Entscheidungen auf der Grundlage von fundierten Daten und Analysen verifizieren zu können.
7. Der Mut zum Unkonventionellen
Aus Forschungsprojekten und Datenanalysen resultieren zahlreiche Innovationen und unkonventionelle Ansätze. Beispielsweise bedanken sich Mitarbeiter bei Kolleginnen und Kollegen für ausserordentliche Leistungen, Zusammenarbeit und Hilfestellungen und sind dabei sogar berechtigt, Bonuszahlungen bis zu 200 Dollars in eigener Regie zu veranlassen, die dann von der Buchhaltung ohne Rückfragen und Einverständnis der Vorgesetzten sofort ausgezahlt werden.
8. Studium hat keine grosse Bedeutung
Es gibt, was wirklich überrascht, gemäss Google keinerlei Verbindung zwischen
Studienerfolg und Leistung im Job. Aber nicht nur die Note ist irrelevant, sondern immer häufiger auch das Studium selbst. Die Zahl der Nicht-Akademiker steigt bei Google konstant an. Was bedeutet: Man verzichtet vermehrt auf formale Bildung. Nicht einmal Fachkenntnis ist für Google entscheidend, sie ist gar der unwichtigste Faktor, denn, so Google, Nicht-Experten gelänge es oft viel besser, neue Lösungen zu finden.
9. Mission und Sinn der Arbeit
Arbeit muss sinnstiftend sein – diese Philosophie steht bei Google im Zentrum. Mit dieser Priorisierung ist Google vielen voraus und setzt auch wissenschaftlich längst erwiesene Erkenntnisse konsequent um. Dies hat gemäss Forschung und umfangreichen Datenanalysen erheblichen Einfluss sowohl auf die Mitarbeiterbindung wie auch auf die Motivation. Google hat erkannt, dass Sinngebung in der Arbeit, Unternehmenszugehörigkeit und in der Identifikation mit Job und Leistung ein entscheidender Faktor einer Unternehmenskultur sind. Mehr dazu in diesem unserem Blogbeitrag.
10. Freiheit und Vertrauen
Google gibt seinen Mitarbeitern in einem Ausmass Freiräume, wie dies vermutlich nur wenige Unternehmen tun. Solche Freiräume signalisieren Vertrauen in Mitarbeiter und fördern die Innovationsfähigkeit, was sich in der googleschen Innovationskraft auszuzahlen scheint. Laszlo Bock, Google SVP of People Operations: „Menschen können Erstaunliches leisten, wenn sie selbstbestimmt arbeiten. Man muss ihnen nur etwas Infrastruktur und genügend Freiraum geben.“
11.Transparenz und Mitsprache
Googles Unternehmenskultur basiert auf den Pfeilern und Leitlinien von Transparenz und Mitsprache. Im ersten Pfeiler verfolgt man das Ziel, sämtliche Informationen weltweit zu organisieren und für jedermann zugänglich und nutzbar zu machen“. Anders als in Leitbildern anderer Firmen werden weder Kunden noch Märkte erwähnt, und auch eine Begründung für die Mission fehlt. Die Mitsprache als dritte Säule ist für Google ebenso typisch unkonventionell und anders. Regelmässig äussern sich die Mitarbeiter zu bestimmten Themen und aktuellen Fragen. Die Problemlösung, etwa Kritik wachsender Bürokratie oder zu vielen Reglementierungen, wird dabei direkt an die Betroffenen delegiert.
12. Auch Low-Performer erhalten ihre Chancen
Mit den schlechtesten fünf Prozent der Googler, die ungenügende Leistungen erbringen, werden persönliche Gespräch geführt, Ursachen und Lösungen für Leistungsprobleme gesucht und Massnahmen wie Coachings, Schulungen, Training-on-the-job und mehr ergriffen. Das widerspricht der Hire und Fire-Kultur vieler US-Unternehmen, Minderleister zu disqualifizieren oder hinauszuwerfen. Eine solche Grundhaltung stärkt das Vertrauen der Mitarbeiter in das Fairplay einer Personalpolitik und die Gewissheit von Unterstützung.
13. Harter und fordernder Auswahlprozess
Dieser ist bei Google je nach Positionen länger, aufwändiger und strenger als anderswo und kann sich über mehrere Wochen erstrecken. Interviews via Google Hangout oder Videocalls, gefolgt von mehreren Telefon-Interviews, vier bis fünf persönliche Interviews. Selbstpräsentationen, simulierte Konfliktgespräche und mehr Assessmentmethoden und eignungsdiagnostische Instrumente kommen zum Einsatz. Mit diesem Ablauf will man Kandidaten von allen Seiten her durchleuchten und natürlich auch ihr Durchhaltevermögen prüfen. Auch die Bedeutung, die man der Kompatibilität mit der Unternehmenskultur beimisst, wird damit stark gewichtet – eine wiederum positive und weitsichtige Betrachtungsweise.
14. Passion und Motivation
Google gewichtet Leidenschaft, Begeisterung für den Job, Ambitionen und Herzblut höher als Fachdiplome, Studium und beeindruckende Lebensläufe. Das Credo von Erci Schmidt lautet denn auch: „Stell Menschen ein, die enthusiastisch, motiviert und leidenschaftlich sind. Stell keine Menschen ein, die nur einen Job wollen“. Vielseitige Interessen, Neugier und Talente kommen vor den Skills und Diplomen. Damit hat Google erkannt, dass zur Motivation auch motivierbare Mitarbeiter gehören, die mit dem entsprechenden Mindset ausgestattet sind und über eine stark ausgeprägte intrinsische Motivation verfügen.
Fazit: Google setzt auf richtige und wichtige Prinzipien
Erfreulich ist, dass der Stellenwert des HR bei Google offensichtlich hoch ist, Innovation grossgeschrieben wird und vor allem die wichtigen und richtigen Prinzipien, die bei vielen anderen Unternehmen höchstens Lippenbekenntnisse sind, konsequent und mit höchster Priorität umgesetzt und praktiziert werden. Auch der Professionalisierungsgrad und die Vielfalt der Analyseinstrumente sind überdurchschnittlich.
Kritik und Hinterfragungen
Insgesamt stellt man allerdings schnell einmal fest, dass auch Google im HR „nur mit Wasser kocht“ und dieses trotz einiger Innovationen nicht wirklich „neu erfunden“ hat. Und das Heil allzu sehr in Algorithmen, Workingtools und einer allumfassenden Technisierung zu sehen, birgt die Gefahr, substanzielle nicht digitalisierbare Aspekte zu gering zu gewichten oder erst gar nicht zu erkennen. Und ob wochenlange Auswahlprozesse und Assessments wirklich bessere Resultate und Kandidaten zur Folge haben, kann man auch in Frage stellen.
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