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Recruiting-Touchpoints: Wissen Sie, wo Sie Bewerber gewinnen und verlieren?

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Touchpoints sind sensible Berührungspunkte, die den Eindruck von Unternehmen und Produkten prägen und erwünschte Handlungen auslösen oder eben nicht – sowohl negative wie auch positive. Diese gelten ganz besonders auch für Bewerber.

Solche Touchpoints gibt es auch für Bewerber und Stellensuchende in deren Recherche- und Informationsprozess und den sich ergebenden Kontaktpunkten. Sie zeigen die Begegnungspunkte von Bewerbern auf deren Bewerber-Journey (“Reise”, d.h. Kontakverläufe und virtuelle Begegnungsorte der Bewerber im und ausserhalb des Internets).

Touchpoints und Candidate Experience

Touchpoints sind auch eng verbunden mit dem neu entdeckten Candidate Experience, mit welche den Gesamteindruck und die Erfahrungen von Kandidaten und Stelleninteressierten in allen Berühungspunkten mit dem Unternehmen umfassen. Das Candidate Experience Management hat den Anspruch, möglichst viele Wahrnehmungspunkte von Kandidaten und Stellensuchenden einzubinden und positiv zu gestalten – vom Lesen der Stellenanzeige über die Eindrücke auf der Karriere-Website und die telefonische Kontaktnahme oder den Empfang bis zum Interview und dem anschliessenden Onboarding.

Mit diesen Touchpoints und dem daraus enstehenden Gesamteindruck gewinnen, überzeugen und begeistern Sie Stellensuchende und Bewerber oder verlieren, frustrieren und enttäuschen sie. Im Idealfall kommen die Top-Talente zu Ihnen, im schlimmsten Fall verlieren Sie sie – dann allerdings meistens für immer. Denn das Internet straft Mängel und Unachtsamkeiten erbarmunglos ab – im Bruchteil einer Sekunde ist ein Stellensuchender mit einem Mausklick beim nächsten Arbeitgeber und Mitbewerber.

Die Touchpoints der Bewerber-Journey

Es gibt viele Touchpoints, auf die Bewerber und Jobsuchende gelangen können und die ihr Bild als Arbeitgeber formen und beeinflussen. Ausgang bzw. Startpunkt von Reisen kann eine Suchmaschinen-Recherche, das Durchkämmen eins Jobbörsen-Angebotes, eine Stellenanzeige, eine Arbeitgeber-Empfehlung aus dem Bekanntenkreis oder eine zufällig entdeckte Bewertung auf einer Arbeitgeber-Plattform sein. Einige Beispiele wichtiger Touchpoints:

  • Qualität und Substanz der Stellenanzeigen
  • Jobbörsen-Präsenz und Online-Recruiting
  • Karriere-Webseite auf der Unternehmenssite
  • Portrait und Präsentation als Arbeitgeber
  • Arbeitgeber-Bewertungs-Plattformen
  • Reaktion auf Bewerbung oder telefonische Anfragen
  • Anforderung an Dossiers und Bewerbungsprozess
  • Empfang im Unternehmen zum Vorstellungsgespräch
  • Interview und Unternehmens-Präsentation
  • Art des Verbleibens, der Absage oder Zusage

Die Eruierung und Bewertung von Touchpoints

Im Buch „Das Touchpoint-Unternehmen“ schreibt Anne M. Schüller: „Im Recruiting-Prozess muss an jedem Interaktionspunkt im „Moment der Wahrheit“ Grosses passieren. Wenn es auch nur an einer Stelle klemmt, dann kann das heute schon das Aus bedeuten. Um in diesem Szenario die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen, empfehle ich Recruitern eine Vorgehensweise, bei der jede Interaktion im Bewerbungsprozess auf ihre Enttäuschungs-, Okay- und Begeisterungsfaktoren hin analysiert wird.

Analyse von Touchpoints und Fragen

Das heisst bei den obigen Touchpoints in der Praxis: Sind Stellenanzeigen veraltet und uniform – das führt zu Enttäuschungen. Sagen sie das Wichtigste und informieren wenigstens vollständig? Dann ergibt dies zumindest ein Okay. Oder sind sie gar spannend und herausfordernd formuliert und wecken sofort das Interesse an Stelle und Unternehmen? Dann kann das schnell Begeisterungsfaktoren auslösen.

Wie aussagekräftig, dynamisch und modern ist die Karriere-Website und wie klar und transparent informieren Sie über den Bewerbungsprozess? Die Karriere-Website ist Ihre Visitenkarte, sie prägt die Bewerber-Journey nachhaltig und massgeblich und gehört zu den Momenten der Wahrheit. Dann geht es zum nächsten Touchpoint: Was sagt man in Arbeitgeber-Bewertungs-Plattformen über Sie als Arbeitgeber?

Bei den Touchpoints der persönlichen Begegnungen und Gespräche, sozusagen am „Point of Recruiting“ wirken mehrere rationale und emotionale, bewusste und unbewusste Faktoren noch stärker, sie können Eindrücke vorgängiger Touchpoints bestätigen, sich verstärken oder negative Eindrücke in positive umwandeln. Konkret: Werden Bewerber am Empfang höflich empfangen und behandelt man den Bewerber als Gast? Oder ist man desinteressiert, weiss von nichts und wird eher als Störfaktor empfunden?

Interviews – der Moment der Wahrheit

Interviews sind der prägendste und entscheidendste Moment der Wahrheit. Hier zeigt sich authentisch und überprüfbar, wie Sie als Recruiter, Stellenanbieter und Arbeitgeber wirken und auftreten.

Wird man aufmerksam als Gast empfangen und ist man gründlich vorbereitet? Das Interview selber verrät viel und Entscheidendes zum Menschenbild, zur Prioritätensetzung der Fragen, zum Dialog, zu Respekt und Wertschätzung und zu Klarheit von Anforderungen.

Dabei sind oft die keinen Dinge (the big little things) jene, die Wirkung entfalten und Eindruck machen: Ein persönlicher Bezug aus den Bewerbungsunterlagen zeigt nicht nur eine gute Vorbereitung auf das Interview sondern gibt auch eine persönliche Note auf individueller Ebene. Oder Informationen zum Ablauf: Einen Kandidaten informieren, was auf ihn zukommt, schafft Sicherheit. Auch das Team, dem ein Kandidat vorgestellt wird und dessen Reaktion auf ihn, ist ein Touchpoint – und auch er kann zu den grossen kleinen Dingen gehören, welche Enttäuschungen, Okays oder Begeisterung auslösen.

Weitere Touchpoints sind je nachdem Zusagen, Absagen, Zwischenbescheide und weitere Interviews und Touchpoints der Information und Kommunikation. Diese runden Eindrücke ab, bestätigen sie oder setzen positive oder allenfalls versöhnliche Schlussakzente.

Systematische Optimierung der Touchpoints

Analysieren Sie diese Touchpoints mit einer Stärken-Schwächen- und Chancen-Risiken-Analyse, tun Sie dies aber aus Bewerbersicht oder auch mit Testpersonen zusammen, die unvoreingenommene Eindrücke haben und kritische Urteile fällen. Versuchen Sie dabei eine „Customer Journey“ zu entwerfen, also eine typische „Bewerber-Reise“ von jemanden nachzubilden, der sich für Sie als Arbeitgeber interessiert, mehr Informationen beschaffen möchte, sich ein Bild von Ihnen als Arbeitgeber machen oder sich bewerben will.

Dazu gehören übrigens auch E-Mail-Anfragen und telefonische Kontaktaufnahmen. Ebenfalls zu beachten und wichtig sind scheinbare Details, welche Informationen Besucher über Ihr Unternehmen beispielsweise bei den Google-Suchtreffern zu sehen bekommen. Auch Produktkritiken von Kunden auf Bewertungsportalen oder bei Facebook & Co. sind Touchpoints, welche ein Gesamtbild Ihres Unternehmens mitprägen.

Kann- und Muss-Touchpoints

Analysieren und optimieren Sie Ihre Touchpoints, und zwar kritisch und gnadenlos und immer aus Sicht der Bewerber. Dabei kann es auch sein, dass Sie unwichtige Touchpoints entfernen, neue hinzufügen oder stark beachtete verbessern, vereinfachen oder ausbauen. Dies kann Kann- und Muss-Touchpoints ergeben, die helfen, Prioritäten zu setzen. Sehr wichtig sind dabei die Relevanz und Wertigkeit der Berührungspunkte für aktive Bewerber einerseits und jene für Recherchierende zu interessanten Stellenangeboten oder Arbeitgeber-Informationen andererseits.

Dies kann sehr gut in einer Matrix dargestellt werden. Das Ziel ist, Spitzenleistungen zu erbringen, welche Ihre Bewerber nicht nur zufriedenstellen, sondern begeistern. Man muss sich bewusst sein, dass auch Bewerber oft emotional reagieren und jedes Detail, wie ein unklarer Begriff, dürftige Informationen auf der Karriere-Webseite oder eine unangenehme Emotionen hervorrufende Abbildung einer Mitarbeiterin mit einem gekünstelten “Prospektlächeln” zum Abbruch von Arbeitgeber-Recherchen oder Bewerbungen führen kann, wenn sie sich häufen.

Konkrete Gründe für Touchpoint-Optimierungen

Bei Testern und bei Fragen an Kandidaten und Bewerber haben Sie herausgefunden, dass Informationen zum Bewerbungsprozess eher verunsichern und unbeachtet bleiben. Es werden mehr und bessere Informationen zu Work-Life-Balance und zum Employer Branding erwartet und beim Rekrutierungsprozess verlieren Sie online wegen mangelhaften Angaben zum Schutz der Privatsphäre Interessenten.

Die Folge: Die guten Dinge, die relevanten Touchpoints und Ihre Stärken optimieren Sie noch, bauen sie aus und kommunizieren diese auch. Negatives, das Bewerbern wichtig ist, verbessern und optimieren Sie und Unwichtiges, wenig Beachtetes wird entfernt. Engagiert und kompetent widmet sich diesem Thema auch hinsichtlich Mitarbeiterführung das lesenswerte Buch von Anne Schüller “Unternehmens-Touchpoints“.

Nun bleibt nur noch zu hoffen, dass bald auch einmal das “Employe-Experience” entdeckt wird. Bestehende Mitarbeiter hätten darauf den mindest gleich berechtigten Anspruch. Doch das könnte sich am Ende ähnlich verhalten wie im Kundenmarketing: Für Neukunden werden Millionen-Budgets gesprochen und jede Menge Anreize geschaffen, die bestehenden Kunden aber, welche die Umsätze generieren und Unternehmen die Treue halten, geraten in Vergessenheit.

Wie kann man aber Schwachstellen eruieren, an welchen Stellen Bewerber abgeschreckt, falsche Erwartungen geweckt oder Verpsrechen nicht eingehalten werden? Schwachstellen in einer Candidate Experience können mit Benchmarking, durch Tests und Befragungen von Bewerbern eruiert werden.

 


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