Der NSA-Skandal sensibilisiert uns für Fragen des Persönlichkeitsschutzes wieder mehr als auch schon. Was ist in Sachen Kontrolle am Arbeitsplatz erlaubt und was nicht, vor allem was die Internetnutzung und den E-Mail-Verkehr betrifft?
Darf man Bewerber oder künftige Mitarbeiter googeln?
Man spricht hier zuweilen auch vom Kandidaten-Screening im Internet, mit dem Ziel, zusätzliche vertiefende Informationen über Bewerber zu erhalten. Dies ist grundsätzlich erlaubt und gilt auch für soziale Netzwerke wie Facebook, Xing und andere Onlinepublikationen und –informationen zur Person eines Bewerbers. Allerdings gilt auch hier wie im Bewerbungsprozess der Persönlichkeitsschutz und es dürfen keine nicht berufsrelevanten, privaten oder die Persönlichkeit verletzenden Daten und Informationen verwendet werden.
Sind flächendeckende Kontrollen aller Mitarbeiter erlaubt?
Die Gesamtüberwachung aller oder einzelner Mitarbeiter oder Teams und Abteilungen ohne konkreten Verdacht ist grundsätzlich nicht erlaubt und verstösst gegen gesetzliche Bestimmungen. Bestehen allerdings Hinweise auf Missbrauch oder Betrug, darf der Arbeitgeber die Daten mit gegebener konkreter Begründung auswerten. Er muss die betroffenen Mitarbeiter aber im vorher darüber informieren. Dabei ist darauf zu achten, dass die Überwachung verhältnismässig und zeitlich begrenzt ist.
Dürfen Daten rückwirkend überwacht werden?
Die rückwirkende Auswertung von E-Mails, Browserehistorys und anderen Daten und Aktivitäten ist in der Regel heikel. Der Mitarbeiter muss vorher abgemahnt werden und es muss ihm mitgeteilt werden, dass seine Aktivitäten in einem folgenden Zeitraum kontrolliert werden, was dann Kontrollen allerdings obsolet werden lässt. Es gibt aber dennoch Reglemente, die eine rückwirkende Auswertung über einen längeren Zeitraum von einigen Monaten hinweg zulassen.
Dürfen E-Mails von Vorgesetzten eingesehen werden?
Vorab ist zur Kenntnis zu nehmen, dass der Arbeitgeber befugt ist, den Gebrauch des Internets am Arbeitsplatz für private Zwecke (inkl. E-Mail-Verkehr) zu verbieten oder einzuschränken. Notfälle sind davon ausgenommen. Ist der private E-Mail-Verkehr nicht gestattet, so kann der Arbeitgeber dies zur Durchsetzung auch kontrollieren. Dies hat er in Anwesenheit der kontrollierten Person zu tun. Ein E-Mail, welches einmal als privat anerkannt ist, geht darüber hinaus inhaltlich den Arbeitgeber nichts mehr an. Ebenfalls ist es dem Arbeitgeber nicht gestattet, mit Kontroll-Software oder sonstigen technischen Kontrollsystemen (wie etwa Videokameras und Webcams), den Arbeitnehmer zu überwachen.
Können Mitarbeiter gezwungen werden, sich in Business-Netzwerken anzumelden?
Immer mehr Unternehmen, beispielsweise in der Personalrekrutierung oder für Marketingaufgaben, halten Mitarbeiter dazu an, sich in sozialen Netzwerken und Social Media-Foren des Internets auszutauschen oder dort Recherchen vorzunehmen. Im Rahmen des Weisungsrechts dürfen solche Vernetzungen und Netzwerkaktivitäten vorschrieben bzw. angeordnet werden. Das Weisungsrecht geht aber nicht so weit, dass der Arbeitnehmer im Netzwerk private Informationen oder weitere Netzwerkmitgliedschaften preisgeben muss.
Darf die Benützung eines privaten Handys während der Arbeitszeit verboten werden?
Ein generelles Verbot von Handys und anderen Mobilgeräte während der Arbeitszeit ist nur in bestimmten und begründeten Ausnahmefällen zulässig. Dies kann dann der Fall sein, wenn die Leistung, die Sicherheit oder hohen Konzentrationsanforderungen beeinträchtigt werden – etwa bei Kundenkontakten oder riskanten körperlichen Einsätzen. Mitarbeitern darf aber nicht untersagt werden, ihr Handy oder Smartphone während der Pausen zu benützen.
Dürfen von Mitarbeitern besuchte Websites überwacht werden?
Das Arbeitsgesetz verbietet eine permanente und grundlose Überwachung von Mitarbeitern. Allerdings darf ein Arbeitgeber innerhalb bestimmter rechtlicher Rahmenbedingungen überprüfen, wozu Mitarbeiter während der Arbeitszeit das Internet nutzen. Eine solche Überwachung ist erlaubt, wenn Mitarbeiter über stichprobenweise Überprüfungen informiert sind. Surfen, mailen oder chatten Mitarbeiter während der Arbeitszeit übermässig privat, muss zuerst eine Verwarnung erfolgen. Bewirkt diese keine Besserung, kann das Arbeitsverhältnis wegen Verletzung arbeitsrechtlicher Pflichten aufgelöst werden. Bevor ein Arbeitgeber bestimmte Websites oder soziale Netzwerke sperren darf, muss er Richtlinien und Weisungen erlassen.
Wie können Internet-Aktivitäten gesetzeskonform kontrolliert werden?
Hat der Arbeitgeber die private Internetnutzung verboten, so steht dem Arbeitgeber das Recht zu, die Einhaltung dieser Vorschrift zu kontrollieren, sofern der Mitarbeiter nicht ständig überwacht und kontrolliert wird. Ist der Versand und Empfang privater Mails verboten, so darf der Arbeitgeber auch E-Mails, die als privat bezeichnet sind, anschauen, diesbezüglich verletzt der Arbeitgeber das Schriftgeheimnis nicht.
Inwiefern und wann können bestimmte Inhalte gelesen werden?
Ein Reglement für die Internet- und E-Mail-Nutzung ist empfehlenswert und schafft Klarheit für beide Seiten. Ein solches Musterreglement finden Sie in diesem Buch zum Schweizer Arbeitsrecht. Damit sollte vor allem auch informiert werden, was toleriert und wofür das Internet genutzt werden kann, wie die Kontrollen vor sich gehen und was für arbeitsrechtliche Sanktionen sein können, wenn gegen dieses Reglement verstossen wird.
Das Kontrollieren und Überwachen von Inhalten ist ebenfalls heikel, weil es auch nicht klar bzw. schwierig zu regeln ist. Grundsätzlich sollte das Auswerten von Inhalten Aufgabe von Polizei und Behörden sein, die dazu legitimiert sind. Wenn das Reglement eines Unternehmens aber private Aktivitäten, Websitebesuche und E-Mails grundsätzlich nicht gestattet, sind die Hürde für das Mitlesen und Kontrollieren natürlich um einiges tiefer. Ein weiteres Problem ist auch, dass niemand Aussenstehende daran hindern kann, private E-Mails an Unternehmensadressen zu senden.
Reglemente schaffen Klarheit und wirken prophylaktisch
Einerseits vertrauensbasierende und andererseits möglichst klare und häufige Konflikte oder Risiken abdeckende Regeln in Reglementen sind oft der beste Weg. Der Arbeitgeber kann bei Vorliegen eines verbindlichen Reglements auch einfacher und rascher Massnahmen ergreifen, sei es durch Verwarnung, Sperrung des Internetzugriffs, Versetzung oder Schadenersatzanspruch und bei Mitarbeitern werden durch mehr Klarheit Verstösse und Missbrauch im vornherein eher vermieden.
Dabei können auch ganz einfache auf Vertrauen basierende Regeln sehr hilfreich sein wie: „Wir gestatten das private Surfen zwischen 12.00 und 14.00 für jeweils eine halbe Stunde und das Versenden und Lesen privater E-Mails in dringenden und wichtigen Fällen während des ganzen Arbeitstages“.
Das Buch zum Thema
Ratgeber zum Schweizer Arbeitsrecht
Joerg Roth: Erschienen im PRAXIUM-Verlag, Zürich Mit CD-ROM und allen Vorlagen und Musterverträgen – Umfang: 302 Seiten – ISBN 978-3952295861
Der vorliegende Band ist eine sehr verständliche Arbeitsrechts-Beratung für alle jene genau der richtige Ratgeber, die sich zum schweizerischen Arbeitsrecht einen zuverlässigen und kompakten Rechtsberater wünschen, der sich auf das Wesentliche und Praxisrelevante konzentriert und sinnvolle Zusatzleistungen wie die Fallbeispiele, die Checklisten und die kommentierten Arbeitsverträge enthält. Über 330 Fragen und Antworten vielen Themen.
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