Human Resource Management

Digitalisierung im HR: Euphorie ohne Ende?

social media 862133 640

Digitale Transformation – Personalmanagement 4.0 – Big Data – Chatbots: Kein Tag vergeht, an dem nicht wieder eine neue Big Data-Genialität oder eine neue Errungenschaft zur Roboterisierung der Arbeitswelt auf uns zurollt und uns weismachen will, der Eintritt ins digitale Paradies stehe auch im HR kurz bevor.

Man könnte meinen, alle Probleme und Herausforderungen des HR würden nur darauf warten, von der Digitalisierung erfasst zu werden, um endlich die wirklich entscheidenden Fortschritte zu erzielen. Wussten Sie, dass der Tesla-Pionier Elon Musk allen Ernstes von sich gab, dass das menschliche Gehirn mit Maschinen verbunden werden sollte, damit Menschen neben ihnen weiter bestehen könnten? Solche Phantastereien, vorab aus dem Silicon Valley, hört man beinahe täglich und sie zeigen, welch extremistische Blüten die Digitalisierung als Ganzes schon treibt und wie gewisse realitätsfremde Visionen immer abgehobener werden.

Man hat die Digitalisierung nicht (mehr) im Griff

Auch die aktuellen Vorfälle und Skandale der Datenentwendung bei Facebook oder der tödliche Unfall eines selbstfahrenden Autos bei Uber zeigen, dass eine ungezügelte und unreglementierte Digitalisierung hohe Risiken mit sich bringt und ausser Kontrolle geraten kann. Sie zeigen auch, dass man wesentliche Aspekte wie inhaltliche Verantwortung, Datensicherheit und -schutz bei der Digitaliserung und bei den sie vorantreibenden Techkonzernen nicht im Griff hat und sie auf fahrlässige Weise vernachlässigt oder wohl gar ignoriert.

Man spricht hier bereits vom sogenannten Techlash (Gegenreaktion, bzw. wachsendes Unbehagen vor allem gegenüber der Übermacht von Techkonzernen). Auch das HR sollte auf solche Warnzeichen und Fehlentwicklungen achten. Was bei Facebook geschah, ist beispielsweise auch mit sensiblen Mitarbeiterdaten oder folgenschwere Fehlentscheidungen durch unausgereifte Algorithmen im HR und in Unternehmen möglich. Welche Missbrauchsgefahren bereits heute in Unternehmen, bestehen, verrät dieser Beitrag “Die Vermessung der Mitarbeiter” von taonline.

Vieles an der Digitalisierung ist begrüssenswert

Damit wir nicht falsch verstanden werden: Vieles an der Digitalisierung ist durchaus positiv. Einsparung von Ressourcen, mehr und genauere Facts und Figures als Entscheidungsgrundlagen, Effizienzsteigerung der Prozesse, die Vielfalt der Kommunikationskanäle, Objektivierung von Beurteilungen und vieles mehr. 

Es geht nicht darum, die Digitalisierung an sich in Frage zu stellen oder anzu-prangern.

Auch in der Medizin, Forschung und Demokratisierung der Informationen, um nur einige Beispiele zu nennen, sind die Auswirkungen positiv und eröffnen völlig neue Chancen und Innovationen. Wir selbst thematisieren die Digitalisierung immer wieder und mehrheitlich positiv in diesem Blog – sie hat sogar ein eigenes Schlagwort -:).

Ist die Digitalisierung eine neue Heilslehre?

Es geht darum, die ganze Sache nicht zu einer Heilslehre zu machen und alle anderen Themen zu ignorieren und die Digitalisierung kritischer und relativierender zu beurteilen. Man redet vom Online-Echtzeit-Feedback per Mausklick, aber motivierende Mitarbeiterbeurteilungen vorzunehmen, hat man noch immer nicht geschafft. Man zelebriert die neue Welt der Algorithmen, doch von einer ganzheitlichen Selektion wirklich fähiger Führungskräfte ist man noch immer weit entfernt.

Man feiert das Big Data, welches kündigungswillige Mitarbeiter ausfindig machen wird, aber eine Unternehmenskultur zu haben, welche Mitarbeiterbindung wirklich nachhaltig stärkt, wird noch immer vernachlässigt oder gar ignoriert. Man automatisiert Recruitingprozessese und meint, schon bald den idealen Kandidaten per Mausklick gewinnen zu können, derweil in Employer Branding auf Karriere-Websites noch immer Model-Schönheiten Phrasen von sich geben, als ginge es um Shampoos oder Anti-Aging-Creme.

Die Relationen wieder zurechtrücken

Lange war die Technologisierung in der Wirtschaft ein genereller Hype und das alles dominierende Thema, nun hat er aber auch auf das Human Resource Management übergegriffen – und wie!

Wir meinen, man sollte die Relationen wieder zurechtrücken und auf den Boden der Realität zurückkommen.

Das heisst, die vielen wesentlichen und oft wichtigeren Themen wieder angemessener zu priorisieren, die Digitalisierung kritischer beleuchten und mehr zu hinterfragen und ganz allgemein vom Autopiloten der Digitalisierung auf die massvolle und bewusste Steuerung des technologischen Fortschritts auch im HR umschalten.

Die wichtigen Dinge nicht aus den Augen verlieren

Vergessen wir eines nicht: Letztlich vermag die Digitalisierung Prozesse effizienter gestalten, automatisierte Analysen zuerstellen, Messverfahren und Prognosen verbessern und einiges mehr natürlich. Es geht aber letztlich um Quantitatives, um Effizienz, um Ressourceneinsparungen oder -freisetzungen und dergleichen, aber nicht um substanziellen und wertestärkenden Fortschritt.

Es geht bei der Digitalisierung nicht um substanziellen und wertestär-kenden Fortschritt.

Substanzielle Mehrwerte schafft die Digitalisierung nicht

Mehrwerte schafft noch immer der motivierte, loyale und engagierte Mitabeiter und eine entsprechende Unternehmenskultur. Der Beitrag der Digitalisierung dazu ist gering oder letztlich gar inexistent. Das Wesentliche, nämlich Mitarbeiter fördern und deren Talente entwickeln, eine glaubwürdige und authentische Kommunikation pflegen, die Passion der Mitarbeiter für Spitzenleistungen entfachen, die wirklich besten zur Unternehmenskultur passenden Führungskräfte gewinnen – diese und viele hunderte von dringenderen und wesentlich wichtigeren Erfolgsfaktoren in HR und Arbeitswelt verbessert sie nicht und trägt nichts oder nur wenig dazu bei. Und wenn es gar Tools, gibt deren Anbieter allen Ernstes behaupten, den Cultural Fit messen zu können, ist dies ein Beispiel, wie vermessen und realitätsfremd Leistungserwartungen der Digitalisierung zuweilen sind.

Wirklich wichtige Fragen werden nicht gestellt

Fragen, welche Mehrwerte eigentich mit eingesparten Ressourcen geschaffen werden können und wie das HR substanziell stärker zum Unternehmenserfolg beitragen kann, werden selten bis nie gestellt. Ebenso nicht die gewaltigen Herausforderungen im Change Management der digitalen Transformation oder die gesellschaftlichen Umwälzungen. Man jubelt über jeden neuen Automatisierungsschritt und über jede eingesparte Prozessminute, neue perfekte Matchinsysteme (die auch heute noch immer weit davon entfernt sind, es zu sein) oder ist geradezu entzückt, wenn Chatrobots die ersten sinnmachenden Bewerberfragen zustandebringen.

Substanzielle Mehrwerte der digitalen Transformation sind gering

Doch die Substanz der Mehrwerte und die wesentlichen Fortschritte der wirklich notwendigen Art erbringt die digitale Transformation nicht oder nur am Rande. Aus dem HR eine Bit und Byte Maschinerie zu machen, der es nur noch um Effizienz, Messbarkeit, Kostenreduktion und Automatisierung geht und zur Datensammelstelle mutiert, verliert die Substanz und Relevanz des wirklichen Fortschrittes und der wesentlichen Beiträge zur Leistungsfähigkeit von Unternehmen des HR aus den Augen.

CTA Das grosse eBook zu Musterexten 1

3 Kommentare zu “Digitalisierung im HR: Euphorie ohne Ende?

  1. Otto Neukomm

    Es ist halt eben wichtig sich vorzubereiten und zu wissen, das sich alles im HR verändert. Gegen viele Infos habe ich eigentlich nichts, aber selten ist Handfestes dabei, das einem wirklich hilft, sich zurechtzufinden und ein objektives Urteil bilden zu können.

  2. Laura Sellinger

    Ja, es wird schon übertrieben und langsam habe ich es auch satt, immer wieder davon zu lesen was tolles da auf uns zukommt. Mich stört vor allem dass es wenig Kritisches und auch wenig konkretes gibt, was denn zu machen ist.

  3. Rolf Meissner

    Sehe das ähnlich. Man hört von nichts anderem mehr als das digitale Human Resource Management. Gibt, wie der Artikel sagt, jede Menge anderer und wichtigerer Themen als das. Gut, dass es hier mal jemand klar sagt.

Schreibe einen Kommentar zu Laura Sellinger Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Die neuen TOP 10 der HR-BücherMehr Informationen hier
+ +